Von Abwärts bis Pur: Jan Müller kürt die besten Bandnamen aller Zeiten
Jan Müller referiert in seiner „Reflektor“-Kolumne über die besten Bandnamen sämtlicher Genres.
Habt ihr euch mal mit Bandnamen beschäftigt? Ohne zu übertreiben kann ich behaupten, dass ich mich schon sehr viel mit Bandnamen beschäftigt habe. Zuletzt gemeinsam mit Rasmus Engler beim Schreiben unseres Romans „Vorglühen“. Ein Running Gag des Romans ist, dass die Band unseres Helden sich nicht auf einen Namen einigen kann. Wer selbst schon Teil einer Band war, weiß, dass dieses Ringen nicht ohne Realitätsbezug ist. Außerdem machte es uns sehr viel Spaß, uns all die im Roman auftauchenden Namensvorschläge auszudenken. Mit Rasmus hatte ich da ohnehin den richtigen Partner. Kenner wissen, dass er sich den Namen Kettcar ausdachte. Auch Adamskostüm, Herrenmagazin, Mutters Patriotische Waschmaschinen und Idiot Beard sind von ihm.
Gemeinsam mit ihm spiele ich übrigens in der Band Das Bierbeben (auch seine Idee). Ich schäme mich ein wenig, in einer Band mit diesem Namen zu spielen. Aber sei’s drum. Immerhin spielte ich auch schon in Bands die Meine Eltern oder Punkarsch hießen. Wichtig an einem guten Bandnamen ist, dass er zur Musik und zum Charakter der Band passt. Brüche können dabei natürlich auch reizvoll sein. Unseren Bandnamen Tocotronic wählten wir, weil er nicht nach Gitarrenmusik klingt. Aber er sollte auch nicht übertrieben cool sein. Daher die drei Os.
Wortwitz von Friseursalonsniveau
Es gibt bedeutende Bands mit dürftigen Namen. Berühmtestes Beispiel: The Beatles. Das ist im Grunde ein Wortwitz von Friseursalonsniveau. Immerhin ist der Name kurz. Das war nicht üblich in jenen Tagen. Zwischenzeitlich hießen die Beatles daher auch The Silver Beatles. Drei Worte im Bandnamen waren in den frühen 1960er-Jahren die Regel. Wie zum Beispiel The Rolling Stones. Dieser Name gefällt mir schon ein wenig besser. Er geht übrigens auf ein Muddy-Waters-Stück aus dem Jahr 1950 zurück. Der Name ruft Gedanken an Getöse und Unruhe wach. Ähnlich wie Einstürzende Neubauten. Dieser Bandname faszinierte mich. Ich wollte sofort wissen, was sich für Musik dahinter verbarg. Genauso ging es mir bei den Dead Kennedys, Ton Steine Scherben und Joy Division. Heute finde ich das alles dann doch ein wenig zu angestrengt.
Der beste und schönste von den langen Bandnamen ist dann wohl tatsächlich The Velvet Underground. Oft gesellt sich ein fantastischer Bandname zu einer fantastischen Band. Im Metal- und Hardrock-Bereich gaben die männlichen Musikanten ihren Kapellen zeitweise weibliche Namen, so wie Seeleute ihren Schiffen: z.B. Thin Lizzy und Iron Maiden. Verwunderlich. Auch grüble ich bis heute, was das Led in Led Zeppelin bedeuten soll (ich weiß, man kann es im Netz nachlesen, aber die Antwort befriedigt mich nicht). Heutzutage gefallen mir kurze Bandnamen am besten: The Fall, The Cure, Der Plan, The Doors, Pur, Faust oder Abwärts. Genial, wie programmatisch diese prägnanten Begriffe für all diese Bands sind. Auch im Soul finden sich supertolle Namen ohne Schnickschnack: The Supremes, The Temptations, Commodores.
Unbestritten ist, dass man im Punkbereich die originellsten Namen findet
Ich habe gar nichts gegen lustige Bandnamen: Die Ärzte: gut! Die Kassierer: sehr gut! Der Durstige Mann: genial. Unbestritten ist, dass man im Punkbereich die originellsten Namen findet: Dead Boys, X-Ray Spex, The Damned, Vorkriegsjugend, Doppelplusungut, FKK Strandwixer und Östro 430. Ist es eigentlich ein Zufall, dass die berühmteste Punkband der DDR Schleim Keim hieß und die berühmteste auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs sich Slime nannte? Außerdem ist es niedlich, dass sich die zuletzt genannten westdeutschen Staatsfeinde nach einem damals sehr beliebten Kinderspielzeug benannten.
Jens Rachut hätte hier eine eigene Kolumne für alle seine guten Bandnamen verdient gehabt: Angeschissen, Oma Hans, Blumen am Arsch der Hölle etc. Am besten ist der Name seiner aktuellen Band: Maulgruppe. Schlecht hingegen finde ich es persönlich übrigens, wenn Punkbands in ihren Namen ironisch Punk-Klischees bedienen: Pisse in etwa, oder, noch schlechter Team Scheiße. Es fällt mir schwer, Musik, die unter solchen Signa firmiert, ernst zu nehmen. Ich wünsch mir etwas mehr Wahrhaftigkeit bei der Bandnamensfindung! Warum fallen denn kaum jemanden mehr so poetisch-dunkle Namen wie Public Enemy, Bad Brains, Darkthrone oder Black Flag ein? Die Mutlosigkeit der zeitgenössischen Popmusik bricht sich oft auch in völlig belanglosen Bandnamen Bahn. Aber mit Namen wie Wet Leg, The Last Dinner Party oder Die Verlierer gibt es noch Hoffnung.
Zum Schluss sei erwähnt: Ich befürworte angelsächsische Bandnamen mit Umlauten: Blue Öyster Cult, Motörhead, Hüsker Dü, The Accüsed und so weiter und so fort. Am allerbesten gefällt mir (auch dieser Name fiel bereits im oben erwähnten Roman) Würm. Hört euch diese SST-Band mal an. Die Musik ist etwas nervig. Aber egal, der Name ist Doppelplusgut.
Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 6/2024.