Der Freitag bei Rock am Ring 2015: Kontrastreicher Start im Weltuntergangs-Szenario
Ein ereignisreicher erster Tag bei „Rock am Ring“ voller Kontraste am neuen Standort Mendig. Trotz organisatorischer Start-Schwierigkeiten auf den Camping-Plätzen und akuter Sonnenbrand-Gefahr feierten die 90.000 Besucher die ersten Bands in der Vulkaneifel. Doch dann kam der Sturm.
Obwohl viele Festival-Besucher dem Umzug von „Rock am Ring“ in die Vulkaneifel mit Skepsis entgegensahen, scheinen am ersten Tag (fast) alle Sorgen vergessen. Bereits gegen 14 Uhr, als die Donots auf der Hauptbühne, der sogenannten „Volcano Stage“, das 30-jährige Jubiläum von „Rock am Ring“ einläuten, tanzen vor der Bühne bereits Tausende von Menschen bis in die hintersten Reihen. Das schier unerträgliche Wetter macht den meisten offenbar nichts aus. Gegen die nahezu tropischen Temperaturen und das schattenfreie Gelände wird mit kühlem Bier angekämpft.
Wesentlich entspannter geht es da vor der benachbarten Bühne, der „Crater Stage“, zu. Dort gibt sich ein sympathischer Herr mit höchst britischem Akzent die Ehre – Jamie T startet mit seiner Band und dem Song „Man’s Machine“ in eine kurze, aber intensive Performance, die gespickt ist von Hits des „one man Arctic Monkey“, wie der Brite häufig genannt wird. Er verabschiedet sich von der angeheiterten Menge mit „Zombie“, einem Track aus dem aktuellen Album CARRY ON THE GRUDGE.
Schlappe Reime und ein wilder Stil-Mix
Tocotronic hingegen können das Publikum nur bedingt begeistern. Den textsicheren Fans in den ersten Reihen mag das herzlich egal sein, doch die Arroganz, die Sänger Dirk von Lowtzow mit auf die Bühne bringt ist ähnlich schmerzhaft wie die Textzeilen „Wir sind Babys, Sie verstehen uns nicht, Wir sind Babys, Wir spucken ihnen ins Gesicht“. Theatralisches Gehabe darf natürlich auch nicht fehlen, jedoch kann man dieses sehr schnell als solches enttarnen und über sich ergehen lassen werden. Tocotronic lassen es sich nicht nehmen, bevor sie sich mit einem langen Outro ihren Auftritt beenden, das Festival-Gelände mit weiteren poetischen Reimen wie „Du bist aus Zucker, du bist zart, Du schmilzt dahin, du wirst nicht ha-ha-ha-hart“ zu beschallen.
Ein interessantes Duell ergibt sich auf den zwei Hauptbühnen zum Finale des ersten Tages des Festivals: Clueso und Marilyn Manson messen sich mit den Toten Hosen. Der 35-jährige Erfurter Sänger und Songwriter Clueso ist sich durchaus bewusst, dass Campino und seine Kollegen ihn „wegspülen“ könnten. Doch das hindert ihn nicht daran, seine meist gefühlvollen Schmachtfetzen anzustimmen und die weiblichen Festival-Besucher in Entzücken zu versetzen. Trotz gewöhnungsbedürftigem Hip-Hop-Medley und der gewollt modernen Electro-Nummer „Out Of Space“ kann Clueso sogar die am Make-up eindeutig als Marilyn-Manson-Fans identifizierbaren Mädels zum Mitschunkeln animieren. Ein teils skurriles Bild, das jedoch aufzeigt, dass „Rock am Ring“ um Vielfalt bemüht ist.
Marilyn Manson spielt sich ins apokalyptische Unwetter
Der Kontrast könnte jedoch nicht stärker sein: Nach dem netten Mann von nebenan kommt der häufig als „Schock-Rocker“ titulierte Manson auf die Bühne. Aus einer Wolke von Nebel erhebt sich Marilyn Manson und sieht dabei aus wie Graf Dracula höchstpersönlich. Seine Inszenierung als böser, blutdurstiger Rebell ist lückenlos. Ob er nun in Mikrofone singt, die die Form eines Schlachtermessers haben oder mit einem Schlagring versehen sind, oder ob er Bierflaschen zerstört und sich damit die Hände blutig ritzt, seine Show ist imposant. Mit dem blutigen Handrücken wischt er sich über den Mund und erweitert sein Chaos-Make-up um eine weitere Manson-typische Komponente.
Kostüm-Wechsel, die die Zeit zwischen den Songs in die Länge ziehen, Randale gegen die ahnungslosen Kameramänner und Glitzer-Konfetti-Regen prägen den Auftritt der kontroversen Gestalt. Von der Nebenbühne klingt ein lärmendes „Hier kommt Alex“ der Toten Hosen herüber und auch diese Band bedient sich des Show-Effekts Konfetti, das zur „Crater Stage“ herüberweht. Leider mischt sich der bunte Niederschlag mit echtem Regen, der zunächst Marilyn Manson stolz macht („You can go home now and tell everyone that Marilyn Manson made it rain.“), sich leider letztendlich zu einem ausgewachsenen Gewitter entwickelt. Dieses zwingt den Late-Night-Bespaßer Fritz Kalkbrenner seinen Auftritt abzubrechen und die apokalyptischen Ausmaße des Unwetters stellen in Frage, ob das Festival überhaupt weitergehen kann. Doch am Samstagmorgen verkündet Marek Lieberberg, dass alles nach Plan fortgesetzt wird und so können sich die Besucher hoffentlich auf zwei weitere Festival-Tage freuen.
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