Die Wonderland im Kreuzverhör
Ziemlich still ist es in den letzten Monaten um die Wunderland geworden. Nach ihren Hits „Poochy“, „Moscow“ und „Boomerang“ hatte man aufgemerkt. „Endlich eine, deutsche Popgruppe mit internationalem Format“ urteilten die Schallplattenkritiker. „Keine eintönige Krawall-Show, sondern eine musikalische Vielfalt, für die sich das Eintrittsgeld lohnt“, hiess es überall, wo die Wonderland auftraten.
Haben sie sich auf ihren Lorbeeren ausgeruht? Ihre letzte Single „Countdown“ gefiel den Fans nicht besonders, — man hörte Gerüchte von einer Auflösung, — neue Mitglieder, — die Wonderland stecken Geld in den Hamburger Star-Club. Wollten sie unter die Kneipiers gehen — und vieles mehr. Um endlich Klarheit zu bekommen, traf ich mich mit Frank Dostäl und Achim Reichel im Wonderland-Office in Hamburg. Hier unser Gespräch:
ME: Was war los mit den Wonderland in den letzten Monaten? Warum hörte man nur gerüchteweise von ihnen? Gibt es eine neue Besetzung? Achim: Wie Du siehst, existieren die Wonderland. Dass es in der letzten Zeit so still um uns war, tut uns selber am meisten Leid. In den zwei Jahren, die es uns gibt, haben wir meist sehr viel Erfolg gehabt; wir haben jedoch auch einige schwerwiegende Fehler gemacht. Der schwerste war, dass wir zu oft aufgetreten sind. Wir hatten einfach keine Zeit für wichtige Dinge. Nur drei Singles und keine LP waren das Resultat. Das andere war: Helmuth vertrug die ständige Raserei nervlich nicht mehr und schied — wohlgemerkt in Freundschaft — aus; mit Les vertrugen wir uns immer schlechter, so dass auch er den Abschied einreichte. Mittlerweile haben wir uns mit beiden ausgesprochen. Wir wünschen ihnen viel Gutes!
Frank: Unsere bisherigen Erfolge schreiben wir in erster Linie den Umstand zu, dass wir immer selber unsere grössten Kritiker gewesen sind. Der Leitspruch bei unserer Gründung war: Was andere machen, können wir vielleicht noch verbessern; aber ohne eigene Ideen bleiben wir am besten zu Hause. Bevor die Wonderland damals so standen, waren Monate vergangen, in denen wir einen Musiker nach dem anderen regelrecht ausprobiert hatten. Und genau so sind wir jetzt wieder vorgegangen. Wenn es interessiert; es waren genau 27 Leute, die wir getestet haben, bis wir zwei „Neue“ gefunden hatten, die nicht nur die Ausgeschiedenen ersetzten, sondern auch unserer Musik neue Impulse geben konnten. Die beiden Neuen heissen Claus-Robert Kruse (20 Jahre) Orgel, Klavier Bass, Gitarre, Gesang und Kalle Trapp (21 Jahre) Bass, Gitarre, Geige, Gesang. Wir kennen sie schon einige Jahre und sind davon überzeugt, dass sie die Richtigen für unser Publikum und uns sind. Der Grund für die Stille um uns liegt also auf der Hand: 1. Brauchte es seine Zeit, Kalle und Claus zu finden. 2. üben wir seit geraumer Zeit an einem neuen Repertoir und 3. Wir sind keine Schaumschläger. Das heisst: Wir hätten natürlich auch zu dritt Platten herausbringen können, um uns im Gespräch zu halten; — unser Produzent James Last, verfügt über ausgezeichnete Studiomusiker — aber damit hätten wir unsere Fans bestrogen.
ME: Der Name James Last ist für mich das Stichwort meiner nächsten Frage: Ihr habt sicherlich von dem Spottnamen „Wonder-Last“ gehört, mit dem man ausdrücken will, dass James Last einen zu grossen Anteil an Euren Schallplatten habe. Was meinst Ihr dazu? Achim: Gegenfrage: Was wären die Beatles geworden ohne George Martin, die Stones ohne Andrew Oldham und Jimmy Miller, die Cream ohne Felix Papalardi etc.? Wir haben bisher alle unsere Lieder selber komponiert, getextet und arrangiert. Wir wissen, welche wichtige Rolle die Produzenten für die Gruppen spielen, die ich genannt habe; und wir wissen genau so sicher, dass James (wir nennen ihn übrigens Hansi) nicht mehr und auch nicht weniger für die Wonderland tut, als andere Produzenten seines Formates für ihre Interpreten.
Frank: Dass uns darüber hinaus eine feste Freundschaft mit ihm verbindet hat — meine ich — mit der Qualität unserer Platten nichts zu tun. übrigens habe ich vor auf meiner ME-Seite einmal genauer die Tätigkeit eines Produzenten zu schildern. ME: Wer ist eigentlich Euer Manager. Wie ich sehe, habt Ihr hier ein gut funktionierendes Büro. Von wem wird es geleitet?
Frank: Manager und Agenten sind in der BRD idiotischerweise verboten. Es gibt zwar einige „Gesetzesbrecher“, die dieses Verbt umschiffen oder bisher ungeschoren davon gekommen sind; aber wir kennen darunter nur zwei, die wir für tüchtig genug halten. Der eine ist der Manager der Lords. Der andere, der von Udo Jürgens. Beide haben unseres Erachtens genug um die Ohren. Daher sind wir bisher an niemand herangetreten und haben auch alle Angebote ausgeschlagen. Mit anderen Worten: Wir schmeissen den Laden selbst mit einigen Angestellten und der Hilfe unserer Schallplattenfirma Polydor. Natürlich kostet auch das ziemlich viel Zeit, aber man scheint in Deutschland der Annahme zu sein, dass z. B. der ehemalige Lastwagenfahrer Elvis Presley nicht nur ein mords-Sänger wäre, sondern auch Kaufmann, der seine Verträge und Jobs selber austüftelt. Denn das verlangen die Gesetzesgeber von uns. Gleichzeitig beklagt man sich darüber, dass es bei uns kein Show-Business gäbe wie z.B. in England oder den USA, wo das Show-Business hinter öl und Stahl die drittgrösste Industrie darstellt. Aber was soll das Jammern? Wir mussten uns damit abfinden. Unsere Auslandsgeschäfte werden allerdings jetzt von einer grossen amerikanischen Firma getätigt, bei der u. a. auch Rock Hudson unter Vertrag ist.
ME: Der Star-Club hat am 31.12.69 seine Tore geschlossen. Damit hat Eure Nebenbeschäftigung als Club-Besitzer ein Ende gefunden. Wie wird die Zukunft der Wonderland aussehen? Werdet Ihr nebenbei auch weiterhin anderen Interessen, wie der Star-Club eine war, nachgehen?
Achim: Unser Werdegang ist von Anfang an eng mit dem Star-Club verknüpft gewesen. Ein grosser Teil Sentimentalität spielte also eine Rolle, als wir ihn übernahmen. Wir haben in unseren 9 Monaten Star-Club versucht, in Hamburg wieder so etwas, wie eine Pop-Musik-Scene aufzubauen. Wir haben Gruppen wie Vaniila Fudge, Nice, Brian Auger und Taste am laufenden Band präsentiert. Leider war das Publikum zu schwer vom heimischen Fernseh-Apparat wegzuholen. Als wir merkten, dass der Laden immer mehr Zeit in Anspruch nahm, haben wir aufgegeben. Man wird sich in Hamburg also wieder ‚mal auf TV und teure Konzerte beschränken müssen. Frank: Die Zukunft der Wonderland wird sein: Am Mitte März drei Mpnate US-Tournee, 3-4 Wochen Deutschland, 3-4 Wochen England-Auftritte, danach Urlaub, mehr Schallplatten als früher, weniger Auftritte. Alles in allem ist die flaue Zeit jetzt vorbei. Will sagen: Man wird schon kräftig von uns hören und sehen. Einer neuen Nebenbeschäftigung werden wir uns nach unserem USA-Trip widmen. Was es sein wird, wird erst dann verraten. Es darf sich aber schon jetzt drauf gefreut werden. Zuerst kommt unsere neue Single heraus. Sie heisst ,,On my way to the USA“ – Teachers und Preachers“. Die schon lange überfällige LP haben wir hoffentlich vor Mitte März aufgenommen. Der Titel wird wahrscheinlich „Wonderground“ sein. Friede sei mit uns!