Eine neue Form der Gesellschaft
Martin Brem, ehemaliger ME/ Sounds- Redakteur, ist Marketing Director bei Mercury Records Deutschland. Für die Web-Page von Yello wurde das Unternehmen für den „International Marketing And New Media Award“ in San Francisco nominiert. Johnny Haeusler war bis zum Split der Gruppe vor drei Monaten Sänger von Plan B. Momentan arbeitet der Rundfunkmoderator an einer CD-ROM für den Berliner Radiosender „Fritz“ sowie an einem neuen Musikprojekt. Seit kurzem hat er auch seine eigene Home-Page im World Wide Web. ME/Sounds sprach mit beiden über ihre Erfahrungen im Internet und ihre Zukunftsvisionen.
Martin Brem
ME/S: Wie kam es zu der Idee für die Yello Web-Page? M.B.: Yello hatten seit vier Jahren keine Platte mehr produziert, deshalb habe ich für die Veröffentlichung des Albums ‚Zebra‘ nach Möglichkeiten gesucht, die Gruppe neu zu etablieren. Das Internet bot sich an, weil Yello als Avantgarde-Electro-Musiker gelten, insbesondere in Amerika, wo das Duo Kultstatus besitzt. Wir wollten aber keine normale Web-Page mit Biographie und Fotos machen, sondern den Fans die Möglichkeit geben, selbst aktiv zu werden. ME/S: Wie waren die Reaktionen auf die Seite? M.B.: In einem Zeitraum von vier Monaten wurde allein die Web-Page in Deutschland 15.000 Mal angewählt. Ebenso überrascht hat mich die Berichterstattung in den Medien. Plötzlich wollten englische Internet-Zeitschriften, der Daily Telegraph und die BBC Interviews mit mir. Das hat gezeigt, daß wenn man im Internet ist, es völlig irrelevant ist, in welchem Land man sitzt. ME/S: Was für einen Stellenwert nimmt das Internet als neues Kommunikations- und Informatonsmedium bei Mercury ein? M.B.: Momentan befinden wir uns, was das Internet betrifft, noch in einer Testphase. Die Yello-Page war für Deutschland eine Art Trainingsplatz, der uns gezeigt hat, was möglich ist und wie man mit dem Medium umgeht. Wir wollen auf alle Fälle gerüstet sein für die Zukunft.
ME/S: Was für eine Rolle wird das Internet, deiner Meinung nach, für die Plattenindustrie in Zukunft spielen? M.B.: Als Marketing- und Promotioninstrument wird das Internet immer wichtiger werden. Aber es kann schon bald sein, daß sich auch Möglichkeiten ergeben, was den Vertrieb anbelangt. Wichtig ist, sich vom körperlichen – der CD oder der Schallplatte – lösen zu können.
Johnny Haeusler
ME/S: Wann kamst du auf die Idee, eine eigene Web-Page zu erstellen? J.H.: Als im letzten Herbst das WWW populär wurde, wollte ich auch selbst eine eigene Seite einrichten. Aber das Design der meisten Web-Seiten fand ich ziemlich beschissen. Wenn ich etwas machen wollte, dann richtig, deshalb habe ich bis jetzt mit meiner Web-Page gewartet. ME/S: Welche Möglichkeiten bietet dir das Internet? ).H.: In meine Web-Page kommt alles, was ich selbst mache. Samples von Songs, Plattencover, Artikel, die ich schreibe, usw. Ich sehe die Home-Page als eine Art weltweite Visitenkarte. Außerdem benutze ich E-Mail und die Newsgroups im Internet. Wenn ich z.B. auf der Suche nach einem bestimmten Bild für ein Plattencover bin, frage ich in speziellen Newsgroups nach und werde dort meist fündig. ME/S: Inwieweit, glaubst du, wird das Internet in Zukunft deine Arbeit als Musiker verändern? J.H.: Das Internet ist für mich eine neue Form von Gesellschaft. Schon jetzt kann man durch das Internet als Individuum viel mehr bewegen. Ich kann z.B. wesentlich mehr Leute erreichen. Die ganzen Plattenfirmen sind zur Zeit noch völlig verwirrt und wissen nicht genau, wie sie mit den neuen Medien umgehen sollen. Kein Wunder, schließlich könnte schon bald jeder Künstler auf eine Plattenfirma verzichten, wenn er seine Musik selbst über das Internet vertreibt. Ich kann mir gut vorstellen, daß Musik und Texte irgendwann mal wie Shareware behandelt und gegen einen kleinen Unkostenbeitrag zur Verfügung gestellt werden. (Die Home Page von Johnny Haeusler findet man unter http:/faerlin.snafu.de/johnny