Tucson calling


Zwischen Kris Kristofferson und Oval: Joey Bürns hat für die Zukunft von Calexico schon so seine Pläne.

Guten Morgen, Joey. Geht’s gut?

Ich bin etwas müde. War lange wach gestern und hab mir Kris Kristofferson-Songs angehört. Die stellen ein Tribute-Album zusammen, mit Grandaddy und Giant Sand und so. Vielleicht machen wir was mit Calexico.

Bist du ein Fan von Kris?

Kein großer, nein. Aber es ist schon lustig. Er hat diesen interessanten Slang, wie so ein ernsthafter Cowboy-Poet, beeinflusst von Cohen, Dylan, Cash. Aber er ist so … so cheesy. Lustig. Entweder nehme ich den ultimativen cheesy Song oder doch einen, der etwas mehr mein Stil ist. Er hat ja auch wirklich gute Songs. Er schreibt viel über Typen, die betrunken, fix und fertig in der Gosse rumliegen. „Crying’ndying“,das sind so seine Lieblingswörter,“drinking and sinking“. Das ist seine Welt. Er ist der einsame Cowboy.düst ab auf seinem Motorrad, besäuft sich, richtet sich zugrunde und stirbt als Verlierer. Damit kann ich mich schon identifizieren, (lacht) Apropos Klischees: Die Manachis Luz De Luna, mit denen ihr letztes Jahr live so große Erfolge gefeiert habt, sind erst mal nicht mehr im Calexico-Line-up. Ein bewusster Schritt, die Sache nicht totzureiten?

Wir haben viel von ihrer Zeit in Anspruch genommen, es ist für sie wichtig,dass sie mal wieder ihr eigenes Ding machen. Und wir wollten musikalisch mal wieder was anderes probieren. Das ist der Vorteil, wenn man auf einem Independent-Label ist, man kann experimentieren. Major-Konzerne, ob sie nun Musik oder Bohnen verkaufen, sind an kurzfristigem Profit interessiert. Ich bin interessiert an langfristiger… hm… Qualität. Ich werde den Rest meines Lebens Musik machen, darum ist mir jedes Wort, jede Tour, jedes Album sehr wichtig. Du weißt ja nie, wann es deine letzte Note ist.

Was wären neue Richtungen für Calexico?

Ich mag elektronische Musik sehr. Schneider TM zum Beispiel. Mit dem würde ich gern mal arbeiten. Letztens waren wir wegen eines Radiokonzertes bei der BSC und SchneiderTM war auch da. Beim Mittagessen unterhielt ich mich mit Paul Niehaus (Pedal-Steel-Gitarrist bei Lambchop und im Calexico-Live-Line-up) und Schneider über Oval, meine Lieblings-Elektronik-Band. Ich meinte, es wäre großartig, Pauls Pedal Steel durch diese Oval-Maschine (ein Sample-Verhackstücker) zu jagen. Ich sagte, Paul, das ist dein Ding! Deine nächste Soloplatte! Nach dem Essen spielten SchneiderTM und luden Paul ein, mitzuspielen. Es war super. Hm… Ich hätte auch gern mitgespielt.

Aber sie haben dich nicht gelassen?

Na ja, es war zu wenig Zeit. Für so was musste man zusammen auf Tour gehen, mehr Zeit miteinander verbringen. Aber das wäre schon was, was ich sehr gern mal machen würde.

Was sagst du eigentlich zum Wahlausgang in den USA?

Das Ganze ist absolut beleidigend. Für ganz Amerika, alle Bürger der Vereinigten Staaten. Der Supreme Court hat AI Gore die Präsidentschaft weggenommen, das ist passiert.

Nach einer Weile hatte man den Überblick verloren.

Das ist eine gute Taktik: Man verwirrt die Medien, und dann verwirren die Medien die Öffentlichkeit. Wir sind dem ausgeliefert, was die Medien uns sagen oder nicht sagen. Wir sind gesteuert, von Medien und Konzernen. George W.Bush ist eine Witzfigur! Aber ich glaube, was da momentan passiert, wird letztlich die Inhalte der Popmusik verändern. Hoffe ich.

Momentan gibt es ja wieder viele zornige Bands aus Amerika, nur sind die nicht gerade politisch.

Na ja, die werden jetzt wohl nicht alle politisch werden, aber vielleicht verschafft ihnen das mal Einblick in Themenbereiche jenseits von „Auto“ und „Freundin“.

Wollen sich die Kids in Amerika damit beschäftigen?

Wie die Kids in Deutschland: Bis zu einem gewissen Grad. Aber die Jugendkultur hier drüben ist auch nicht da nach ausgerichtet. Ein Freund von mir aus Schweden war letztens mit seinem 18-jährigen Sohn zu Besuch, und der fragte: Wo ist die Cafe-Kultur? Wo treffen sich die jungen Leute zum diskutieren, philosophieren? Tja, so was gibt’s hier nicht wirklich. Nicht in Tucson. Hier hängen die Kids rum und jammern über ihre Probleme, wer wieder mal angeschossen worden ist.

Dabei wäre man aus der Ferne versucht, sich Tucson, Arizona als gemütliches Wüstennest vorzustellen.

Das ist reine Fantasie. Wir haben hier die normalen Großstadt-Probleme. Dazu sind wir nah an der mexikanischen Grenze, das heißt zusätzlichen Stress mit Drogen und Schmuggelei.

Wenn jetzt erst mal Tournee-Pause ansteht, was darf man denn als nächstes von Calexico erwarten?

Für das nächste Album hatte ich die Idee, einen Song zu nehmen und ihn als Duett für jedes Land mit einer Sängerin aus dem jeweiligen Land aufzunehmen, in der jeweiligen Landessprache. Eine deutsche Version, eine italienische, griechisch, französisch, irisch, schottisch… (lacht) Hört sich an wie diese Phil-Collins-„Tarzan“-Nummer.

(lacht) In den 6oern haben Bands ihre Songs auch in andere Sprachen übersetzt… Vor ein paar Jahren bin ich mit der Idee aufgewacht, ein David-Hasselhoff-Coveralbum zu machen. Ein Ambient-Techno-Hasselhoff-Ding. Eine Frage: In Deutschland haben ja einige Schauspieler immer denselben Synchronsprecher. Also: Wersynchronisiert Hasselhoff? Erselber?

Keine Ahnung…

Das ist nämlich ein ganz heißes Gerücht in Hollywood, (lacht) Nicht mal Schwarzenegger synchronisiert sich selbst. Schwarzenegger-Filme müssen im Original ja nett sein.

Oh, das würde dir gefallen. Der Akzent… er trägt wirklich zum komischen und auch dramatischen Effekt bei. Ich mag so was. Einer der Deutschen, mit denen wir spielen, Martin Wenk, hat einen sehr ähnlichen, netten Akzent. Wir haben den Lee Hazlewood-Song, „Sun down“ gespielt, und Martin hat den perfekten Akzent dafür. Janet Bean von Freakwater sang den Nancy-Sinatra-Part. Das war toll. Aber was die Zukunft angeht: Ich will die Tucson-Berlin-Connection aufziehen. Mit SchneiderTM,To Rococo Rot.Tarwater. Und ich würde zu gern mit Oval was machen -die sind nicht aus Berlin, was? Egal. Ich möchte dieses Jahr Zeit in Berlin verbringen. / wanna go there and hang out!