hilfe, ist heavy metal zurück?
Entweder du bist Metal oder du bist es nicht: Da helfen auch keine Posen und hippe Iron-Maiden-T-Shirts.
Ich hörte auf, Heavy Metal-Fan zu sein, als mir 1997 während des Motörhead-Auftritts beim Wacken Open Air ein mit Pisse gefüllter Bierbecher gegen die Schulter knallte. Der zweite verfehlte meinen Kopf nur knapp. Vor dem dritten flüchtete ich zu den sanitären Anlagen. Auf dem Weg dahin stolperte man über Scharen langhaariger Männer, die besinnungslos im Schlamm lagen, in der Rechten einen leeren Bierbecher. Das Schlachtfeld der Alkohol-Apokalypse. Ist dir ein Metal-Festival zu hart, bist du zu weich. Nach Wacken war ich nicht nur weich, sondern dickflüssig. Ich schenkte meine Iron Maiden-T-Shirts meinem Bruder. Und weg.
Man konnte sich bis vor zwei Jahren allem, was mit Heavy Metal zu tun hat, leicht entziehen. Die Metal-Szeneist eine Subkultur mit eigenen Magazinen, Sendungen und Clubs. Kuttenträger meiden öffentliche Plätze, und man würde ihre Existenz anzweifeln, fände nicht hin und wiederum die Ecke ein Blind Guardian-Konzert statt. Heavy Metal war nie weg, er war nur nicht mehr öffentlich. Dann geschah folgendes: Blink 182 trugen plötzlich Iron Maiden-T-Shirts in ihren Videos. Und Sum 41 auch. Dann kam das neue Manowar-Album und Leute, denen man in Sachen Musikgeschmack bislang was zugetraut hatte, fanden es ,geil“. Warf man ihnen Ironisierung vor, sprachen sie von ihren „Metal-Roots‘.’Headbangen war das Wort der Stunde. Dann kam 2003 und folgendes: Iron Maiden sind zurück und spielen als Headliner bei Mainstream-Festivals, während ihre Videos auf Viva dudeln. Ozzy Osbourne ist wieder Teenager-Held. The Darkness machen glamigen Spandexhosen-Hair-Metal und landen auf Platz 1 der UK-Charts. Pete Yorn trägt bei seiner Interview-Reise durch Deutschland ein Maiden-Shirt und sagt: „Das war meine Jugend, Mann.'“Models laufen in Motörhead-Shirts rum. Überhaupt tragen auf einmal alle wieder Metal-Shirts, vorzugsweise von Maiden, Motörhead und Judas Priest (die sich zur Feier des Booms wieder mit ihrem alten Shouter Rob Haiford zusammengerauft haben). Dafür gibt es drei Gründe. Erstens: Die machen halt, was gerade cool ist. Zweitens: Die arbeiten ihre „Jugend, Mann!“ auf. Die Hochzeit des Heavy Metal war in den 8oern, und die werden bekanntlich gerade wiedergekäut. Drittens: Die sehnen sich in unsicheren Zeiten nach Sicherheit (und haben gemerkt, dass es eskapismustechnisch besser kommt, sich mit Maiden in der Fantasy-Deko noch ein Bier aufzumachen als mit den depressiven NuMetallern die Pulsadern). Der Ausdruck True Metal sagt’s ja schon: Es geht um Treue, Verbundenheit. Beim Heavy Metal bleibt alles, wie’s immer war. Veränderung ist Verrat. Maiden werden niemals Beats unter ihre Riffs mischen. Lemmy wird niemals rappen. Die nehmen alle seit 20 Jahren das selbe Album auf. Was jahrelang eben deswegen peinlich war, ist plötzlich wieder super? Tolle Treue.
Die Rückkehr des Heavy Metal ist gar keine, sondern ein Verrat an seinen Idealen. Genauso schnell wie Bands wie The Darkness erfolgreich werden und Maiden-Shirts „in“ sind, wird das alles wieder verschwunden sein. It’s fashion, baby. Heavy Metal ist eine Religion, handelt von Treue und Ignoranz allem anderen gegenüber. Entweder du bist Metal, oder du bist es nicht. Alles andere ist Pose und Pisse. Und weg.