The Drums über den Hype
Was war da los, als vier hübsche Jungs aus den USA in ihrem Video zu „Let’s Go Surfing“ durch die Nacht joggten? Blogs bloggten, der Musikexpress fotografierte die Band und druckte sie auf den Titel. Und die Hater schrien: „Hype!“ Jetzt der Test. Die zweite Platte. Was ist übrig vom Hype?
Liebe Drums, der Hype ist vorüber, was kann jetzt kommen?
Jonathan Pierce: Wir müssen herausfinden, wer wir sind. Wir haben mit Adam ein Bandmitglied verloren, und mussten uns zusammenreißen, damit es weitergeht. Es fühlt sich an, als hätten wir in den vergangenen zwei Jahren ein ganzes Jahrzehnt gelebt. Man sieht es in unseren Gesichtern.
Haben Sie etwas von Ihrer Leichtigkeit verloren?
Pierce: Wenn es viel Reibung gibt, lernt man eine Menge. Schon deshalb ist das Album düsterer geraten. Das erste Album war von diesem starken Geruch des Hypes umweht, es war surreal. Wir hoffen, dass man uns einfach mal als normale Band betrachtet.
Jacob Graham: Mehr haben wir nie gewollt.
Aber für die Karriere war der Hype nicht schlecht.
Pierce: Aber eine Karriere war nie unser Ziel. Wir haben nur aus Langeweile mit dem Songschreiben angefangen. Wenn es um Karriere gegangen wäre, wäre ich am Anfang nie nach Florida zu Jacob gezogen, um mit ihm Musik zu machen. Er wäre gleich zu mir nach Brooklyn gekommen, da gibt es immerhin eine Szene. Allerdings hab ich diese Szene sowieso nie verstanden. Mir kommt es vor, als würden wir stets in jener Blase bleiben, die wir uns selbst geschaffen haben. Es mag so aussehen, als würden wir einen großen Traum leben, aber dieses Leben hat viele negative Seiten.
Warum machen Sie weiter?
Pierce: Weil es sehr aufregend ist.
Sie sind darauf vorbereitet, dass man Sie jetzt möglicherweise nicht mehr so toll finden wird?
Pierce: Wir sind vorgewarnt. Schon als das erste Album herauskam und jeder es mochte, gab es Leute, die sagten: „Wartet mal ab!“ Wir haben entschieden, uns nicht darum zu kümmern.
Graham: Man kann nicht jedem gefallen. Man muss den eigenen Instinkten vertrauen. Wir werden oft gefragt, was wir tun würden, wenn diese Platte kein Erfolg wird. Dabei hat die Frage überhaupt keinen Sinn. Denn die Platte ist fertig, wir lieben sie, wir sind stolz auf sie. Für uns ist sie also schon längst ein Erfolg. Es wäre natürlich nett, falls sie von vielen Leuten gekauft und gemocht wird. Aber Portamento wird dadurch nicht plötzlich schlechter, wenn es nicht so wäre.
Pierce: Es gibt Bands, die wir für das Coolste vom Coolen halten, die in den späten Siebzigern ungefähr drei Songs veröffentlicht haben und nie kommerziellen Erfolg hatten. Und diese Bands werden heute als wegweisend gehandelt. Sind diese Bands nun erfolgreich oder nicht?
Sollten Bands sich überhaupt verändern? Oder ist es besser, wenn eine Band immer gleich klingt?
Pierce: Ich glaube, dass es nur wenige Beispiele gibt, wo sich eine Band radikal verändert hat und etwas Gutes dabei herauskam. Verfeinerungen sind gut, ein gewisser Fortschritt ist auch nicht schlecht, aber radikale Veränderung ist kontraproduktiv. Für uns kommt es jedenfalls nicht infrage. Ich wüsste auch gar nicht wie. Wir sind in unseren Fähigkeiten sehr beschränkt.
Was meinen Sie damit?
Pierce: Wenn Sie uns darum bitten würden, unsere Songs auf dem Keyboard oder der Gitarre zu spielen, dann müssten wir passen. Wir können es nicht, keinen einzigen Song. Wir klingen wie wir klingen, weil wir kein Instrument beherrschen.
Graham: Wir nehmen die Songs quasi Note für Note auf, wobei viel Zeit dabei drauf geht, nach den Noten zu suchen. Es ist eine Bastelarbeit.
Und wie funktioniert das live?
Graham: Wir kennen die Abläufe, wissen wann welcher Ton gebraucht wird. Jeder spielt eine Note, und wenn alle zur gleichen Zeit spielen, kommt dabei irgendwie der Song heraus.
Pierce: Das ist alles sehr minimal.
Ist es gut, dass Sie keine Instrumente beherrschen?
Graham: Unbedingt. Deswegen benutzen wir auch Gitarren. Man darf sich nicht zu sehr an Dinge gewöhnen. Auch wenn wir einen Song schreiben, arbeiten wir nie besonders lange daran. Schreiben und aufnehmen darf nie länger als einen Tag dauern, in Ausnahmefällen anderthalb Tage.
Ach.
Graham: Ja, aber wenn wir länger daran arbeiteten, würden wir uns langweilen. Mit den Platten versuchen wir, diese hektische Energie zu bewahren.
Um Perfektion zu vermeiden.
Pierce: Ja, auch. Um menschlich zu bleiben.
Albumkritik S. 96
The Drums Pierce und Graham musizierten in der Jugend als Elektro-Pop-Duo Goat Explosion. Dann gründeten beide eigene Bands. 2008 kamen Pierce und Graham erneut zusammen, zogen nach New York, und wurden mit Adam Kessler und Connor Hanwick zu The Drums. 2009 kam die EP. Die BBC war begeistert und so fing alles an.