A-ha denken über keine Reunion nach
A-ha befinden sich auf Abschiedstournee. Vor ihrer Trennung veröffentlichen sie eine Retrospektive. Im Interview: Morten Harket und Pal Waktaar.
Musikexpress.de: Nach dem Welterfolg mit „Hunting High and Low“ behandelte das Nachfolgewerk „Scoundrel Days“ weitaus dunklere Themen: Mord, Flucht vor Verantwortung, Gefängnis. Woher haben Sie wissen wollen, ob Ihre Fans das hören wollten?
Waktaar: Die Songs, „Cry Wolf“ etwa oder „The Swing of Things“, datieren auf unsere Demophase von 1984, waren aber vielleicht etwas zu düster um auf unserem Debüt zu erscheinen. Zu Beginn der Aufnahmen waren wir aufgeregt. „There was so much ambition in the air“ – und das wollten wir auf dem Album einfangen. Und wir standen unter Zeitdruck. Unsere erste Welttournee war längst gebucht, jede Aufnahme sollte sitzen, musste sitzen. „I’ve been losing you“ entstand auf Tour in Australien, innerhalb von zwei Tagen. Die Hektik ist der Platte nicht unbedingt anzuhören. „Morten, unser Flug geht in einer halben Stunde – bitte sing die Nummer jetzt gleich ein“ (lacht). „He had just one shot to deliver“.
Unser Tourmanager hat buchstäblich die Fahrstuhltüren aufgehalten und auf uns gewartet, weil wir weiter fliegen mussten. „I’ve been losing you“ bietet meiner Ansicht nach bis heute eine von Mortens besten Gesangsleistungen. Harket: „Scoundrel Days“ war ein notwendiger Schritt für uns. Wir mussten der Industrie einfach zeigen, wer wir wirklich sind. Die Leute hören so oft einfach nicht zu. Sie sehen all die Konfektionen, drei gut aussehende Jungs, Pophits … sie beschäftigten sich mit unsere Musik gar nicht richtig. „Hunting High and Low“ war meiner Ansicht nach brillant, aber für uns stand zu keiner Zeit infrage, was wir danach tun würden. Bei „Scoundrel Days“ waren wir quasi schon Co-Produzenten.
Musikexpress.de: Umso größer die Verwunderung bei den Kritikern.
Harket: Der Schock saß tief bei denjenigen, die dachten, wir hätten mit „Hunting High And Low“ unsere Karten bereits ausgespielt. „Scoundrel Days“ came out of the hat. Oder wie ein Eimer kaltes Wasser. Wobei Wörter wie Mord und Gefängnis, wie von Ihnen verwendet, oder Selbstmord natürlich auch Metaphern sind. Metaphern für Gefühle, die viele junge Menschen haben. Im jungen Alter ist es ganz normal diese Gefühle zu haben.
Musikexpress.de: Wie war Ihre Haltung zu den Medien, die in Ihnen eine Boyband sahen?
Harket: Wir kehrten den Medien später den Rücken zu. Die Medien behandeln junge Menschen manchmal respektlos – und sie behandelten auch unsere Hörerschaft manchmal respektlos. „The Teens are wrought with so many different emotional trips“: existentielle Fragen, Glaube, Nicht-Glaube, Atheismus, Hass, Liebe natürlich. Diese Gefühle muss man ernst nehmen. Unser Trauma wiederum bestand darin, mit dem Bla-Bla der Medien klarzukommen. Dem Bla-Bla über unser Aussehen etwa. Nur darüber zu berichten, das war respektlos gegenüber unseren Fans. Irgendwann mussten wir uns einfach von den Medien abwenden, denen es nur um unser Erscheinungsbild ging.
Musikexpress.de: „East Of The Sun, West Of the Moon” von 1990 und “Memorial Beach” von 1993 gelten als ihre “amerikanischen Alben“: lange Songs, folkrockige Arrangements und der Paisley Park als Aufnahmestudio. Sie gelten auch als ihre meist übersehensten Platten.
Harket: Ich hatte das Gefühl, wir als Band waren nicht einhundertprozentig im Einklang miteinander oder uns selbst gegenüber. Es gab da das Verlangen uns voneinander zu entfernen. Das war nicht unbedingt gesund für mich, auch nicht einhunderprozentig ehrlich. Ich tat mein Bestes, meine Rolle zu erfüllen. Aber die von den Medien aufgebauschte Hysterie um uns klang noch immer etwas nach. Ich wollte wohl vor irgendwas davonlaufen – statt einfach irgendwo hin zu gehen.
Musikexpress.de: „Sycamore Leaves“, erschienen 1990 auf „East Of The Sun, West Of The Moon“, galt als eines der Lieblingslieder vom Regisseur David Lynch. Er soll es bei den „Twin Peaks“-Dreharbeiten gehört haben.
Waktaar: Wir hatten ihm Songs geschickt mit der Bitte ein Musikvideo für uns zu drehen, „Sycamore Leaves“ und, sofern ich mich richtig erinnere, „Early Morning“ und „I Call Your Name“. Leider fehlte ihm die Zeit, seine Serie stand vor dem Abschluß. Als das Geheimnis von Twin Peaks gelöst wurde, hieß es: „The Answer is under the Sycamore Tree“. So hatte Lynch zumindest eine Referenz an unseren Song, wo es heißt, „out there by the roadside something’s buried under sycamore leaves“, in „Twin Peaks“ unterbringen können (lacht).
Musikexpress.de: Ihr drittes Album „Stay On These Roads“ von 1988 wiederum markierte mit Singles wie „Touchy“ und „You Are The One“ eine Rückkehr zum poppigen, vielleicht etwas weniger gewagten Sound des Debüts.
Waktaar: Nach „Scoundrel Days“ waren wir sicher sehr ambitioniert. Wir hatten vor den Aufnahmen von „Stay On These Roads“ mit verschiedenen Produzenten nach dem richtigen Sound gesucht und uns dann wieder für Alan Tarney entschieden. Die lange Welttournee, der Stress durch zunehmende Promotion – vielleicht führte auch das dazu, dass wir auf ältere Stücke zurück griffen wie „You’ll End Up Crying“ oder eine Neuaufnahme von „This Alone Is Love“, dessen Originalversion wir in George Bensons Studio auf Hawaii aufnahmen. Also: „We were literally short of songs.“
Musikexpress.de: Auf ihrer Best-Of-Compilation sind dafür auch einige Stücke enthalten, die keine Hits waren, etwa „There’s Never A Forever Thing“. Gibt es Nicht-Singles, die Sie gerne ausgekoppelt hätten?
Waktaar: Da gibt es einige. „Time And Again“ zum Beispiel …
Musikexpress.de: …aus dem „Lifelines“-Album von 2002 …
Waktaar: … aber die Aufnahme sagte mir dann doch nicht mehr zu. Oder „White Dwarf“ aus dem „Analogue“-Album. „Analogue“ war nach unserer Reunion vor zehn Jahren noch mal ein Wendepunkt: Wir hatten wieder einen Top-Ten-Hit in Großbritannien, erhielten gute Besprechungen und den „Inspiration Award“ des „Q“-Magazins. Mit unserem finalen Studioalbum „Foot of the Mountain“ ist es uns gelungen, dieses Level zu halten.
Musikexpress.de: Im Oktober führen Sie in der Londoner Royal Albert Hall die „Hunting High and Low“-Platte auf, im Dezember findet in Oslo das letzte Konzert statt. Werden A-ha danach jemals wieder zusammen auftreten?
Waktaar: Das ist sehr schwer zu sagen. Unser Fokus liegt derzeit auf der Tournee. Wenn die vorbei ist, überlege ich mir, was in meiner eigenen Zukunft ansteht. Mit neuen Künstlern zusammen arbeiten vielleicht oder eine neue Band gründen. Never say never. Aber über eine Reunion denken wir derzeit nicht nach.
Anmerkung: Die Interviews mit Morten Harket und Pal Waktaar fanden getrennt statt.