Ein Treffen mit Melanie
In den letzten Jahren hat sich die sog. Popmusik oft verändert Schauen wir auf die fünfziger Jahre zurück, so stellen wir fest, dass wir anspruchsvoller geworden sind. Aus dem Boogie Woogle und Rock And Roll von damals ist inzwischen eine Musik zum Hinhören geworden. Das heisst aber nicht, dass man zur heutigen Musik nicht mehr tanzen kann, im Gegenteil: Sie hat mehr Inhalt bekommen. Sie hat „Message“. Und diese Musik entstand aus Protest- und Folksongs. Die Lieder der amerikanischen Sängerin Melanie sind eigentlich keine echten Volkslieder und auch keine Protestsongs. Sie sind eine Mischung beider Arten, haben aber subtilere Themen. Melanies Lieder basieren hauptsächlich auf alltäglichen Erlebnissen. Erlebnisse, die wir alle täglich haben können. Sie propagieren eine Verbundenheit mit dem Leben. Ihre Texte und Musik dringen bis zum Kern der Sache durch und schaffen somit einen unheimlich guten Kontakt zum Publikum. Wie bereits erwähnt, wird Melanie meist durch ganz alltägliche Dinge inspiriert. Und es sind nicht immer nur Geschichten in Wort und Musik, sondern vor allen Dingen ihre persönlichen Gedanken, die sich in Ihren Songs spiegeln. Melanie ist eine besondere Sängerin. Sie singt mit aller Kraft und Überzeugung ihrer ganzen Persönlichkeit, sie vertritt eine ganze Generation. Eine Generation, die etwas sagen will: Eine Botschaft, eine neue Religion! Die Zeit von Aquarlus ist angebrochen und das bedeutet gleichzeitig Liebe, Friede und Glück für alle Menschen. Melanie vertritt diese Gedanken, sie hat einen neuen Weg eingeschlagen um Krieg, Streit und Unglück zu bannen. Wir alle müssen Freunde sein, uns lieben, verstehen…
EINE ZURÜCKGEZOGENE IN-DIVIDUALISTIN Melanie ist, wie sie selbst sagt, schon immer ein schüchternes und einsames Mädchen gewesen. Sie wurde in New York City geboren und ihre Mutter, die Jazz- und Bluessängerin war, brachte ihr ihre ersten Lieder bei. Von einem Onkel lernte sie ein paar einfache Griffe auf der Gitarre und den Rest lernte sie von selbst. Als Melanie noch zur Schule ging, zogen ihre Eltern (ihre Mutter ist Italienerin) um. Und zwar in einen kleinen Ort, etwas ausserhalb von New York. Niemand ihrer Mitschülerinnen ahnte, dass Melanie Gitarre spielen konnte und sogar einige Lieder komponierte. Sie interessierte sich nicht sehr für ihre Klassenkameradinnen und umgekehrt war es genau so. Melanie war schon immer Individualistin und während die meisten ihrer Mitschülerinnen später studierten, besuchte sie eine Schauspielschule. „Eigentlich wusste ich damals noch gar nicht, was ich werden wollte. Auf jeden Fall keine Lehrerin und auch keine Schauspielerin. Singen wollte ich, aber um Sängerin zu werden, fehlte mir vorerst noch der Mut.
Ich liebe jede Art von Musik, wenn sie eine gute Melodie hat, die mit Gefühl gebracht wird. Nimm‘ die Beatles oder Bob Dylan. Ihre grössten Erfolge waren einfache, ergreifende Melodien. ,,Let It Be“ ist genauso melodiös wie „All You Need Is Love“ und das war ein Welthit. „Existiert eigentlich eine Musikart, die Du nicht magst?“ „Nein, jede Musik, die gefühlvoll gebracht wird, finde ich gut. Am wenigsten mag ich Bossanova, denn der ist so eintönig.“
„Liebst Du Soulmusik?“ „Ja, natürlich, wenn sie mit „Soul“ gebracht wird. Sehr verehre ich B.B. King. Er beherrscht den Blues bis in die Fingerspitzen. Ich unterhielt mich mit ihm jenen Abend, an dem Martin Luther King ermordet wurde. B.B. King spricht stundenlang nur über Blues. Für ihn ist Blues mehr als eine Musikart. Für ihn ist Blues Leben. Er ist eigentlich ein wenig zu naiv, unschuldig. Er lebt nur für den Blues“. Einmal sollte ich in einem Film mitspielen. In einem knallharten Protestfilm. Ein Junge und ein Mädchen reissen aus und flüchten nach Kanada. Doch plötzlich hörte ich den Regisseur über eine gewissen Nacktszene sprechen. „Nacktszene?“ rief ich entsetzt. „Ja, Nacktszene“ wiederholte er. „Das will icht nicht, denn was würden meine Eltern sagen. Ich habe einen sehr guten Kontakt mit ihnen, aber wenn ich so etwas tun würde, dann wäre ich für sie nicht mehr da. Der Regisseur und sein Assistent sahen mich verdutzt an. Für sie war ich ein snobistisches Frauenzimmer mit Allüren. Viele Mädchen möchten nämlich gern einmal in einem Film mitspielen und würden alles dafür tun. Wenn ich wieder in Amerika bin, habe ich eine Verabredung mit einem anderen Regisseur. Allerdings weiss ich nocht nicht, was er will. Zur Zeit arbeite ich an einem Song, für den ich noch keinen Text geschrieben habe. Vielleicht eignet er sich als Filmmusik. Normalerweise fallen mir Text und Melodie immer zur selben Zeit ein. Allerdings
kann Ich keine Noten schreiben. Ich will die Musik und den Text auch gar nicht aufschreiben, denn ich möchte mir die Möglichkeit vorbehalten, um alles wieder zu ändern. Produzent Peter Shekeryck arrangiert ihre Songs. Melanie: „Auf Ruby Tuesday‘, eine Nummer von meiner dritten Langspielplatte, verwendet er eine sehr kommerzielle Begleitung. Er benutzt ein elektrisches Cello, das umheimlich gut zu dem Song passt. Im Studio arbeitet er allerding» mit richtigen Arrangeurs zusammen, weil er nicht die Zeit hat, um jeden Musiker genau zu erklären, wie er was gespielt haben will. Er erzählt es den Arrangeurs, denn auch er kann keine Noten schreiben. Ich finde es gut, dass wir auf den Platten 8acking-lnstrumente verwenden. Ein Lied hat Zeit nötig, um sich voll zu entwickeln, verwendet man andere Instrumente, so sieht man den Song plötzlich in einem ganz anderen Licht. Es ändert sich meist noch sehr viel an meinen Liedern, nachdem ich sie geschrieben habe.
WOODSTOCKFESTIVAL Merkwürdig ist, dass Melanie eigentlich in Europa so populär ist, obwohl sie fast nur in Amerika auftritt. Während des Woodstockfestivals mit 400.000 Zuschauern, bekam sie zehn Minuten lang donnernden Applaus Und doch muss sie erst in Amerika einen grossen Hit haben, bevor sie anerkannt wird. Melanie selbst erwartet sehr viel von ihrer neuen Single „Lay Down“, zusammen mit den Edwin Hawkins Singers, und von ihrer drillen LP „Candlss In The Rain“, auf der die Single in einer verlängerten Form von 7 Minuten und 58 Sekunden vorkommt. „Es war grossartig, um mit den Edwin Hawkins Singers zu arbeiten. Sie sind wundervoll. Es gibt so viele gute Gospelgruppen in Amerika, aber Edwin Hawkins schoss den Vogel ab. Religion ist in und Zen-Meditation sind sehr populär und finden stets mehr Anhänger. In Deutschland war Melanie in einem Fernsehprogramm zu sehen, von dem sie selbst, nicht sehr begeistert war. „Oer Regisseur wollte unbedingt, dass ich während meiner Nummer „Im Back In Town“ eine lange Treppe hinunterschreite, die zur Bühne führt. Doch so bin ich nicht, ich hasse zu viel Show. Das passt nicht zu mir, denn ich komme immer zu spät“. Melanies Lieblingsstars sind die Beatles und Bob Dylan Ausserdem mag sie gern Folk-Singers. Unwahrscheinlich gut findet sie die Incredtble Stringband. Sie besitzt alle Platten dar Gruppe und spielt sie : den Tag.
War Melanie auch für uns keine Unbekannte mehr, so hat uns sie doch dieses Interview ein wenig nähergebracht Besser aber lernt ihr sie kennen, wenn Ihr eine ihrer LP-s spielt und mnhelnu an einen Kritiker denkt, der, nachdem er Melanie gesehen hatte, schrieb, Melanie sei aus der Mode. Darauf gibt es nur eine Antwort Erst wenn die Liebe unmodern geworden ist, ist auch Melanie aus der Mode Denn nichts verkündet sie stärker als Liebe: für Dich, mich, für jeden . . .