Ruud van Dulkenraad von ME war einer der Gäste auf der Stones-Party in Frankreich
Schon eine tolle Sache, wenn man von der amerikanischen Kinney Gesellschaft nach Cannes/Frankreich eingeladen wird und dort hören kann, dass sie den Streit mit diversen anderen Plattenfirmen gewonnen haben: Es ist ihnen gelungen, die Stones unter Vertrag zu bekommen! Ausserdem wurde auf dieser, im Port Pierre Canto veranstalteten Party die erste LP unter dem neuen Label zur Taube gehalten. Ich war einer der ca. 25 Journalisten aus ganz Europa, die zusammen mit sicher ebensovielen Vertretern von Kinney auf Mick Jagger warteten. Er traf ungefähr 1 1/2 Stunden spater mit seiner Freundin Bianca Perez Morena ein, mit der er bekanntlich inzwischen verheiratet ist. Fotografen stürzten nach vorne, einige Journalisten versuchten, ihm Fragen zu stellen, was Ihnen offensichtlich nicht gelang, denn Mick war vorläufig noch mehr an dem Kalten Büffet Interessiert Er sah übrigens auffallend gesund aus, seine Haare waren kurzer denn je und er selbst wurde mit der Zeit immer freundlicher. Etwas später kam er von selbst zu unserem Tisch. Er erzählte uns, dass die einzelnen Mitglieder der Stones eventuell Soloalben aufnehmen würden und dass das Rolling Stones Label vielleicht sogar andere Gruppen präsentieren wird. „Wir können LP’s mit jeder Gruppe aufnehmen, die wir für interessant halten, wir sind völlig frei in unserer Entscheidung. Fest steht jedoch, dass Jimmy Miller auch weiterhin alle unsere Platten produzieren wird“.
Als wir später mit Mick Taylor sprachen, war der sehr erstaunt. Er sagte uns, dass ihm davon überhaupt noch nichts bekannt sei: „Soloalben? Jeder weiss immer schon alles, was ich tun werde, bevor ich selbst es erfahre!“ Mick Taylor ist in meinen Augen noch immer ein merkwürdiger „oudsider“, der wahrscheinlich nie ein echter „Stone“ werden wird. Er lief auf der Party stets ziellos herum und schloss sich niemandem an, obwohl die übrigen Stones immer auffallend beieinander blieben. „Ich habe für sechs Monate ein Haus gemietet“, erzählte er mir, „Bill Wyman und ich wohnen in Grasse, Charlie Watts wohnt in Camargue, Keith Richard in Nizza und Mick Jagger in irgendeinem Hotel in Juan les Pins. Wir suchen jetzt nur noch einen geeigneten Studioraum, in dem wir an unserer nächsten LP arbeiten können“.
Als ich Mick Taylor fragte, ob er sich musikalisch bei den Stones nicht ein wenig gehemmt fühle, wenn er an seine Zeit bei John Mayall denke, sagte er lächelnd: „Ach, bei den Stones geht es mehr ums Ganze und nicht so sehr um den einzelnen“.
Charlie Watts hat den ganzen Abend an seinem Tisch verbracht und alle Journalisten und Fotografen freundlich aber bestimmt abgewehrt. Neben ihm sass Bill Wyman mit seinem 9jährigen Sohn Stephen. Als letzter erschien Keith Richard, schon etwas angeheitert und in Begleitung von Anita Pallenberg. So schlecht wie an diesem Abend hat Keith bisher noch nie ausgesehen! Etwas später sprach ich noch mit Stephen Stills, einem persönlichen Freund der Stones. Stephen erzählte mir, dass wir noch in diesem Sommer mit einer neuen LP von Crosby, Stills, Nash & Young rechnen dürfen. Als Mick Jagger als erster der Stones die Party verliess, weil er noch eben ins Casino gehen wollte, war damit das Fest schon so gut wie zuende. Jeder, auch die Stones, hatte sich gut amüsiert!
Unser englischer Korrespondent Andy Gray liess Mick Jagger und Bill Wyman einen Kommentar zu ihrer LP „Sticky Fingers“ abgeben:
BROWN SUGAR:
MICK: Das ist also die Single. Schnelles Tempo, denn das liebe ich! BILL: Wir haben ziemlich lange gebraucht, um diese Nummer aufzunehmen. Ein Teil wurde schon im Dezember 1969 in dem Muscle Shoals in Amerika aufgenommen, der Rest entstand später im Olympic Studio in London. Ich bin mit dem Sound sehr zufrieden.
SWAY:
MICK: Ein wenig country-beeinflusst. Ich habe diese Nummer sehr schnell geschrieben, zwei Tage später stand sie schon auf der Platte.
BILL: Ja, ja, diese Nummer ist auch im Olympic aufgenommen worden. Nicky Hopkins spielt das Klavier.
WILD HORSES:
MICK: Dies ist zweifellos meine Lieblingsnummer dieser LP. Eine Ballade … BILL: Mir gefällt der Song auch unheimlich. Auch dieser Titel entstand teils in Muscle Shoals, teils in London.
CAN’T YOU HEAR ME KNOCKING:
MICK: Die Jam-Session am Ende ist sehr gut, was?
BILL: Das ist meine Lieblingsnummer! Einfach toll! Das Intro wird von jedem nach Belieben eingesetzt. Ich finde auch unser Stückchen Jazz sehr gut. Billy Preston spielte hier Orgel und Bobby Keyes leistete gute Arbeit auf dem Sax YOU’VE GOTTA MOVE:
MICK: Starke Nummer. Ganz in Muscle Shoak aufgenommen.
BILL: Ja, das war 1969 und ist die ganze Zeit liegengeblieben. Die Nummer wurde nur später in London noch ein bisschen beigeschliffen.
BITCH:
MICK: Das ist unsere Ode an alle Hundeliebhaber. Einen Teil davon habe ich zuhause in meinem Garten ausgearbeitet. BILL: Diese Nummer wurde im Olympic aufgenommen. Nach meinem Gefühl eine sehr starke Nummer, unheimlich gut geeignet für eine Single.
I GOT THE BLUES:
MICK: Das ist eine Soul-Ballade von Keith Richard. Sehr gut. BILL: Dieses Stück wurde in einem mobilen Studiowagen aufgenommen, der damals auf dem Rasen vor Keith’s Haus in Reading stand. Ich finde, dass Aufnahmen in einem Wagen irrsinnig Spass machen.
SISTER MORPHINE:
MICK: Eine sehr alte Nummer und schwierig zu promoten.
BILL: Ich kann mich erinnern, dass wir vor ein paar Jahren einen Teil davon mit Marianne Faithfull aufgenommen haben.
Für eine LP ist das ein sehr schwieriger Song.
DEAD FLOWERS:
MICK: Wieder ein Country-Song. Weiter kann ich dazu eigentlich wenig sagen… BILL: Ja, ganz netter country & western. Prima Nummer für Auftritte.
MOONLIGHT MILE:
MICK: Lieblich und gefühlvoll… besonders gefallen mir die Buckmaster Strings. BILL: Diese Nummer haben wir auch im Mobilen Studio aufgenommen. Anfangs sollte der Titel „Japanese Thing“ heissen…