Die Alice Cooper-Show in Deutschland
Auf dem Flughafen München-Riem ging der ganze Wahnsinn los: Der Alice Cooper Charter-Jet hatte 90 Minuten Verspätung, und das bedeutete 2 Stunden Wahlparty im Flughafen-Restaurant.
Alice Cooper Elected
AHNUNGSLOSE PASSAGIERE GLAUBTEN, DER FASCHUNG SEI AUSGEBROCHEN, ABER AUCH WENN SIE ALICE COOPER NICHT IM KOPF HATTEN, AUF DEM KOPF TRUGEN ALLE DIE BUNTEN ‚ELECTED‘-HÜTCHEN: JOURNALISTEN, GEPÄCK-TRÄGER, FOTOGRAPHEN, SERVIERERINNEN, TOURNEE-MANAGER, PASSAGIERE, USW …..
WAHL-FREAKS HATTEN GLEICH 2 MEINUNGSKNÖPFE AUF IHRE BRUST GEHEFTET: ‚COOPER ELECTED‘ UND ‚WILLY WÄHLEN‘.
Musi und Gaudi und Groupies
Schliesslich war es dann soweit. Die eigens engagierten bayrischen Blasmusikanten setzten die Cooper-Hüte ab und ihre Seppl-Hüte wieder auf, damit die ‚Musi und Gaudi‘-Session ihren ersten Höhepunkt bekommen konnte.
Als Alice am Ausgang des Flughafen-Gebäudes auch noch einen 2 Liter Krug voll mit bayrischem Gerstensaft in die Hand gedrückt bekam, konnte es für ihn keinen Zweifel mehr daran geben, dass er in München gelandet war. Auf der Presse-Konferenz Stunden später erzählte er, dass es recht oft vorgekommen ist, dass er auf Tourneen morgens seinen Manager anrufen musste, um zu erfahren, in welcher Stadt man denn eigentlich gelandet war.
Vor der Flug-Ankunft-Halle wartete ein konfortabler Bentley, speziell aus England importiert, um Alice und die Jungs aus seiner Band ins Sheraton Hotel zu bringen. Dem Bentley folgte gleich eine ganze Karavane von Taxis, vollgeladen mit Groupies bzw. Möchte-Gern-Groupies, sowie ein Bus mit Alice Cooper-Begleitpersonal und Presse-Leuten.
The Phlorescent Leech & Eddie
Am Abend durfte die erste Alice Cooper-Show im Circus Krone vom Stapel laufen. Das Publikum bot das gleiche Bild, das man schon mittags am Flughafen erleben konnte.
Im Vorprogramm wurde die hierzulande noch ein wenig unbekannte West-Coast-Band ‚The Phlorescent Leech & Eddie‘ vorgestellt. Während ihres Auftritts merkte man sehr schnell, dass es sich bei dieser Gruppe um alte Hasen handelte. Leech & Eddie, alias Howard Kaylan und Mark Volman gehörten zusammen mit ihrem Bassisten Jim Pons, Drummer Aynsley Dunbar und Keyboardplayer Don Preston bereits zu Frank Zappa’s ‚Mothers‘, ausserdem bildeten sie den harten Kern der ‚Turtles‘, deren Hit-Single ‚Happy Together‘ sie noch heute spielen. Sologitarrist AI Nichols (ebenfalls Ex-Turtle) vervollständigte den Sound von ‚The Phlorescent Leech & Eddie‘.
In der Pause nach dem Vorprogramm nahm die Spannung im Saal sichtbar zu. Die Film- und Fernseh-Leute ’schossen‘ sich auf die Bühne ein, die umrahmt wurde von zwei gewaltigen Scheinwerfer-Türmen und einer Riesenleinwand im Hintergrund.
Glasiger Blick – Teuflische Augen
Schliesslich wurde es stockdunkel – man konnte nur ahnen, dass die Band sich startklar machte. Als der knallharte Rock einsetzte und die Licht-Show in Schwung kam, versteckte sich der grosse Meister noch ein paar Momente zwischen den Boxen, bevor er mit einer Whisky-Flasche in der Hand schwankend auf die Bühne torkelte. Sein glasiger Blick, der schon nicht mehr von dieser Welt zu sein schien, explodierte durch die teuflisch geschminkten Augenlider ins Publikum. In Sekundenschnelle erfasste der Alice Cooper-Bann auch den abgebrühtesten Konzert-Besucher. Alice hatte das Mikro kaum in der Hand, als er sehr überzeugend vortäuschte, dass er sich bereits wieder dünne machen wollte: ‚I Wanna Get Outa This Place!‘
Die Alice Cooper-Show liess in ihrem 90-minütigen Ablauf zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen. Nebelwolken stiegen auf, Polizeisirenen heulten, Alice präsentierte sich als Junkie und natürlich als Schlangenbeschwörer. Dann prügelte er sich in echt wirkenden Raufereien mit den Jungs aus seiner Band, Messer und Säbel blitzten im Scheinwerferlicht. Doch so tapfer er sich auch schlug – Alice musste sterben. Der Galgen war schon aufgebaut. Gefesselt schleppten ihn seine Freunde auf das Podest. Nach einem letzten Schrei baumelte der Rock-Star am Strick.
Ohrenbetäubender Lärm flutete aus den Lautsprechern, und wieder wurde es dunkel.
Die letzte Szene der Show entkrampfte schliesslich den Todes-Spuk: Alice erschien in einem weissen Präsidenten-Frack spazierstockschwingend und lebendig wie nie zuvor. Seifenblasen und Riesen-Luftballons, die durch den Saal schwebten, liessen die Alptraum-Show ein Happy-End nehmen – Alice stellte seinen bislang letzten Spleen vor: ‚I Wanna Be ELECTED‘.
Das Publikum wollte natürlich nicht glauben, dass die Show schon zuende war und forderte minutenlang eine Zugabe. Alice liess sich nicht lumpen und präsentierte sich noch einmal: „Wisst ihr auch, dass ihr viel verrückter seid als wir?!“ Er faszinierte noch einmal mit ‚School’s Out‘, danach blieb die Bühne leer.
Presse-Konferenz
Die erste Presse-Konferenz vor dem Konzert war wegen der Verspätung auf dem Flughafen ein wenig kurz geraten, sodass eigentlich nur das Fernsehen Möglichkeit bekam, Interviews zu machen.
Am Tag nach dem Konzert wurde deshalb eine zweite dreistündige Presse-Konferenz angesetzt, die insgesamt sehr ‚cool‘ über die Bühne ging. Überall, wo man Alice traf, entwickelte sich eben in Null-Komma-Nix eine swingende Party.
Interessant wurde es, als der lächelnde Vampir aus Kalifornien die Routine-Fragen der meisten Journalisten beantwortet hatte und nun, ohne unterbrochen zu werden, eine Menge Anekdoten aus seinem Leben vom Stapel lassen konnte.
und so sollte das auch zwischen Rockern und Hippies sein.“
An dieser Stelle wollte ein verspäteter Reporter gern von Alice wissen, was er früher gemacht hat. Alice:
„Früher war ich Boxer.“
Jemand aus seiner Band unterbricht ihn:
„Alice, du lügst, du bist nie Boxer gewesen!“ ALICE:
„NA KLAR LÜGE ICH, WAS DENN SONST.“
Der ‚wilde‘ Alice
Ein Amerikaner stellt sich als Reporter vom AFN-Soldatensender vor und hält Alice das Mikrofon unter die Nase:
„Alice, du machst Freak-Rock, was macht dein Vater?“ Alice:
„Mein Vater ist Prediger in irgendeiner Sekte, und nebenbei baut er Raketen, ja, das ist wirklich wahr, (Blinzel! BlinzelM) der baut Raketen und so’n Zeugs. Ich finde das gamicht gut, denn davon gibt’s doch mittlerweile genug auf dieser verrückten Welt, aber er macht seine Sache und ich mache meine, und wir werden sehen, wer dabei am Ende besser fährt.“
Für eine abschliessende Foto–Session flammen noch einmal die Fernseh-Scheinwerfer auf. Zusammen mit den vier Musikern aus seiner Band posiert der ‚wilde‘ Alice brav für die Fotografen, und während sich alle halbtot lachen, singt die Gruppe with a little help of good bayrisch Bier:
„Schaut her, wir sind die neuen Beatles, nicht wahr, Alice, das sind wir doch — äh, Alice, was meinst du?“
Interview mit Alice Cooper
ME: Alice, welche Pläne hast Du, wenn die Tournee beendet ist?
Alice: Wenn wir nach Amerika zurückkommen, werden wir eine Rock-Show am Broadway aufführen.
ME: Ahnlich wie das Hair-Musical?
Alice: Oh nein, wir werden ein richtiges Rock-Musical machen — nicht so ein Ding für die Mittel-Klasse wie ‚Hair‘.
ME: Wie seid ihr darauf gekommen, die Alice Cooper-Show zu machen?
Alice: Das weiss ich auch nicht so genau. Wir haben uns gelangweilt und wir wollten ganz einfach Spass kriegen. Ich denke, das ist der beste Grund, etwas zu machen.
ME: Glaubst Du, dass eure Show richtig verstanden wird?
Alice: Das hoffen wir. Wir wollen ja nicht tiefsinnig interpretiert werden. Wenn die Zuschauer genau so viel Spass an der Sache haben wie wir, dann ist alles O.K.
ME: Wolltet ihr euch mit eurer Show in den amerikanische Wahlkampf einmischen?
Alice: Nein, eigentlich nicht. Wir wollen nur Spass machen und für Politik interessieren wir uns nicht. Politik macht keinen Spass und was keinen Spass macht, das lohnt sich nicht zu tun.
ME: Hast Du schon Reaktionen von Politikern auf Deinen ‚Wahlkampf‘ gehabt?
Alice: Nein, noch nicht. Ich denke, keiner hat das so ernst genommen, und wir tun das auch nicht.
ME: Arbeitet ihr schon an eurer nächsten LP‘ Alice: Ja, sie ist schon fast fertig und wird ‚A Billion Dollar Babies‘ heissen. Es wird die Musik Express-Leser sicher interessieren, dass Donovan in einem Song mitmacht. Er singt richtigen Hard-Rock, was er ja bisher nie versucht hat.
ME: Was hat euch auf dieser Europa-Tournee am meisten Spass gemacht?
Alice: Oh, wir hatten eine schöne Party in München nach dem Konzert.
ME: Wie hat euch die Arbeit beim Beat-Club gefallen?
Alice: Grossartig — wir haben noch nie zuvor eine so interessante Fernseh-Session gemacht.
ME: Warum benutzt Du eine Schlange für Deine Show?
Alice: Eine Schlange ist eben eine Schlange, nicht wahr?
ME: Womit fütterst Du sie?
Alice: Ein paarmal wollte sie überhaupt nicht fressen, wir mussten sie regelrecht zwingen.
ME: Bier trinkt sie aber nicht, oder?
Alice (lacht): Nein, noch nicht.
ME: Ist es immer noch die erste Schlange?
Alice: Nein, die erste ist in der Toilette ertrunken.
ME: Sind die Biester nicht gefährlich?
Alice: Klar, sonst würde es ja keinen Spass machen.
ME: Und wie kommst Du mit dem Tier zurecht?
Alice: Bis jetzt lebe ich noch.
ME: Könnte nicht jemandem aus dem Publikum etwas zustossen, falls Du Dich mit der Schlange zu weit über die Bühnenrampe wagst?
Alice (grinst schelmisch): Ja.
ME: Wartest Du schon darauf?
Alice (lacht schon wieder): Dass weiss ich noch nicht.
ME: über die anderen Leute aus Deiner Band weiss man kaum etwas. Auf Presse-Konferenzen beantwortest Du immer alle Fragen. Alice, bist Du auf einem Ego-Trip?
Alice: Ich glaube nicht. Wir sind alle gute Freunde, und die anderen sind einfach zu faul.
ME: Vielen Dank für dieses Gespräch.
Alice: So langsam kennst Du mich aber auch in- und auswendig.