Bei Roxy-Music ist alles möglich!
HEUTZUTAGE LEBEN WIR IN EINER GANZ SCHÖN VERRÜCKTEN WELT, BESONDERS, WENN ES SICH UM MUSIK DREHT. DIE POPMUSIK VON 1973 IST EIN EINZIGER GROSSER ZIRKUS, IN DEM DIE DOLLSTEN SACHEN PASSIEREN. ROXY MUSIC SCHEINT NICHT WENIG SCHULD DARAN ZU HABEN. IHRE MUSIK-SHOW IST UNDEFINIERBAR, SIE LÄSST SICH KAUM IN EINE SCHABLONE PACKEN. SIND SIE NUN KOMMERZIELL ODER PROGRESSIV, SIND SIE ALTMODISCH ODER HYPERMODERN, SPIELEN SIE ROCK 'N' ROLL ODER UNDERGROUND-MUSIC? ES HAT KEINEN SINN, DIESE FRAGEN BEANTWORTEN ZU WOLLEN - AUF SIE TRIFFT ALLES ZU...
RASANTER AUFSTIEG
Roxy Music wurde im Sommer 1971 aus der Taufe gehoben. Alles wurde gut vorbereitet, sodass ein Jahr später die erste LP erscheinen konnte. Zur gleichen Zeit erschien die Single ‚Viginia Piain‘. Beide Platten platzten wie eine Bombe in die englische Top Twenty. Der Start war Roxy Music voll gelungen. Nachdem sie zunächst im Vorprogramm von Alice Cooper und David Bowie auftraten, konnten sie sehr bald schon selbst als Hauptgruppe ‚live‘ auftreten. Bei ihren Gigs ging das Publikum regelmässig auf die Stühle. Anfang dieses Jahres wurden sie von allen englischen Pop-Blättern als die ‚vielversprechendste Gruppe‘ gefeiert. Währenddessen eroberte Roxy Music die amerikanische Ost- und Westküste im Tournee-Vorprogramm von Jethro Tull und Humble Pie. Seit einigen Wochen ist nun bereits die zweite Roxy-LP auf dem Markt (‚For Your Pleasure‘). Sie hört sich genauso aussergewöhnlich an wie die Erste und steckt ebenfalls in einem Cover, das man so schnell nicht aus den Augen verliert.
ENO!
Werfen wir einen kurzen Blick auf die hervorstechendste Persönlichkeit in der Gruppe: Eno. Er bedient den VCS-3 Synthesizer und fummelt ausserdem an allen möglichen anderen elektronischen Apparaten herum. Anfangs fiel er überhaupt nicht auf, weil er hinter seinen Apparaturen kaum zu erkennen war. Als er nach einem Auftritt zum Vorschein kam, stand das Publikum ihm total überrascht gegenüber und gaffte ihn an. Bald schon sollte sich herausstellen, das Eno ein Meister der Show ist. Bei jedem Roxy-Gig richten sich die meisten Scheinwerfer immer auf ihn. Ein grosser Teil der Fans besucht die Konzerte, nur um ihn zu sehen. Während der Amerika-Tournee merkte Eno plötzlich in einer Bar, dass der Rest der Gruppe sich unauffällig aus dem Staub gemacht, und ihn allein zurückgelassen hatte. Er war noch mit dem Essen beschäftigt, als … „ich bemerkte, dass mir gegenüber ein Typ sass, kräftig wie ein Baumstamm, und mich anstarrte. Schnell ass ich meinen Teller leer, ohne es auch nur zu wagen, woandershin als auf den Tisch zu schauen. Ein Freund dieses Brechmanns fing an, um meinen Tisch zu tanzen. Ich stand auf, um die Rechnung zu bezahlen, doch der zweite Typ folgte mir und tanzte weiter um mich herum. Eine falsche Bewegung von mir und die wildeste Schlägerei wäre im Gange gewesen. Ich tat so, als ob ich nichts bemerkte und auch die Serviererin hinterm Tresen versuchte, die Situation zu ignorieren. Nach dem Bezahlen ging ich vorsichtig zur Tür – der Typ immer hinter mir her. An der Tür holte ich eine Zigarette aus der Tasche und fragte ihn um Feuer. Er hörte auf zu tanzen und suchte nach Streichhölzern … bevor er sie fand, war ich längst über alle Berge.“
ÄGYPTEN UND PYRAMIDEN
Ausser Eno gibt es bei Roxy Music noch Paul Thompson (drums & percussion), Phil Manzanera (gitarre), Rick Kenton (bass), Bryan Ferry (gesang, mellotron, ausserdem komponiert er) und Andy MacKay (saxophon). Vom Letzteren stammt viel von Roxy’s ‚Underground‘-Titeln, z.B. die Rückseite der ‚Pyjamarama‘-Single ‚The Pride And The Pain‘. Es handelt sich da um niveauvolle Filmmusik zu einem Streifen, der das Leben der Pharaos im alten Ägypten schildert. Bei diesem Song kann man geradezu die Wüstensandstürme um die Pyramiden fegen hören. Wie gesagt, bei Roxy Music ist alles möglich.