Zu Besuch bei Ian McLagan von The Faces
„Ich habe keinen Bock auf Musik-Theorie“
Es ist 3 Uhr Nachmittags; gerade die richtige Zeit zum Aufstehen für Faces-Organist lan McLagan. Er sitzt vor einem herrlichen Frühstück mit Eiern, Schinken, Pilzen Toast etc. Die Villa mit dieser geräumigen Küche hat er erst neulich bezogen, sie liegt in Richmond Park London.
Zwischen 2 grossen Happen erzählt Mac, dass die Küche sein Lieblingsplatz ist. Auf zwei kleinen Fernsehapparaten kann er ’stereo‘-fernsehen, auf zwei Spülanrichten ’stereo‘-spülen und neben einem riesigen Kühlschrank hängt ein altmodischer Käseschrank und ein Regiment von Tassen mit Fussball-Emblemen. Hölzerne Balken stützen die Stuck-Decke, die raffiniert mit farbigen Spotlights beleuchtet wird. Der Grund dafür, dass die Küche sein Lieblingszimmer ist, liegt ganz einfach darin, dass er hier vollkommen entspannen und nachdenken kann.
Ausser in die Küche, geht lan auch noch manchmal ins Schlafzimmer (selten vor dem frühen Morgen) und in sein Studio im ersten Stock. Dieses Studio ist komplett eingerichtet mit Aufnahme-Anlagen, Stereo- und Video-Apparaturen und einer elektrischen Orgel.
Um das grossartige Haus sauber zu halten, hat Mac eine Haushälterin, Liesel, die für wenig Geld die notwendige Sauberkeit und Ordnung hält. Neben Liesel gibt es auch eine grosse Zahl ‚freiwilliger‘ Mädchen, die sich für „’n Appel und ’n Ei“ mit Putztüchern, Besen und Eimern bewaffnen. „Es ist doch erstaunlich, wie hilfebedürftig ich in den Augen dieser jungen Damen erscheinen muss“, denkt Mac laut vor sich hin, „wahrscheinlich liegt es daran, dass ich ein Popstar bin.“ Auf die Frage, ob er durch den Erfolg der Faces seinen Lebensstil verändert habe, erklärt er: Früher hatte ich überhaupt keinen Lebensstil, und jetzt, mit der Wohnung und so, habe ich einen. Das ist der einzige Unterschied. Nebenbei hat Mac neben seiner feudalen Villa zwei grosse Wagen und einen Rasse-Renn-Hund, davon aber später mehr.
VON MUSIKALISCHER TECHNIK HABE ICH KEINE AHNUNG
Es klingelt. „Das wird wohl mein neues Tonbandgerät sein,“ ruft lan aufgeregt, während die Schelle die laute Soul-Musik noch übertönt. Als der Kasten aufgestellt und die Ruhe wiedereingekehrt ist, erzählt lan schwärmerisch von seiner Vorliebe für Soul. „Ich halte nicht viel von technischer Musik; die hat kein Gefühl. Ich höre mir lieber Kompositionen von Leuten wie Burt Bacharach an. Es ist kein Widerspruch, Burt Bacharach und auch Soul gut zu finden. Diese 2 Musikrichtungen sind nämlich eng miteinander verbunden. Denk‘ nur an den ersten Song, den Bacharach für Dianne Warwick geschrieben hat: Anyone Who Had A Hearf, da steckt auch Gospel drin. Ich habe beobachtet, dass Burt Bacharach das Tempo in seinen Songs verändert. Diese Veränderungen sind aber so subtil, dass sie niemanden verwirren. Ich will niemanden beleidigen und nenne deshalb auch keine Namen, aber es gibt zahlreiche Komponisten, die das Tempo verändern und dadurch eine gewisse Aggressivität an den Tag legen. Sie zwingen dich, Dinge zu hören, die du absolut nicht hören willst. Stevie Wonder, mein grosser Favorit, ist im Augenblick auch in so einer Veränderungsperiode. Dass kann man auf den letzten 2 Alben deutlich hören. Obwohl ich merke, wenn das Tempo sich verändert, käme ich nie auf den Gedanken zu sagen: ‚Da ist er vom 3/4 zum 4/4 Takt übergegangen.‘ Ich habe einfach keinen Bock auf Musik-Theorie.“ STUNDENLANGES NACHDENKEN
Wie sieht Jan McLagan seine Zukunft? „Ich will ein Ballett, eine Oper und Filmmusik schreiben. Ausserdem will ich bereits bestehende Opern umschreiben und vollkommen neu überarbeiten. Nein, Spass beiseite, ich habe keine anderen Ambitionen als das, was ich mache, besser zu rtlachen. Die Tatsache, dass ich besser geworden bin, war unvermeidlich.
Wenn man sieben Jahre in einer Band spielt, macht man automatisch Fortschritte. Ich möchte es packen, dass ich meine Ideen direkt in Musik umsetzen kann, ohne dass sich meine Finger dabei verknoten. Stevie Wonder denkt eine Note und kann sie sofort spielen. Das möchte ich auch bringen. Ich hoffe, dass noch mal die Zeit kommt, in der ich eine Idee kriege, eine Melodie mit kleinen Effekten, und das ich dann nach oben laufen und sie auf meiner Orgel verwirklichen kann. Ich habe ja wohl Ideen, mit denen ich nach oben gehe, aber dann sitze ich stundenlang ‚rum und es kommt nichts dabei heraus.“
KEIN SELBSTVERTRAUEN
Obwohl lan McLagan gelegentlich beim Komponieren der letzten Faces-Singles und bei einigen Songs der LP ‚Ooh La La‘ mitgeholfen hat, denkt der Organist doch sehr bescheiden über diese Beiträge. „Schau, was ich wirklich will ist, endlich eine vollwertige Nummer zu schreiben. Das ist mir erst in einem Song geglückt. Das Lied heisst ‚Growing Closer‘ und Humble Pie haben es auf ihrer ersten LP gebracht. Seitdem ist so ‚was nicht mehr vorgekommen. Ich hab’s wohl probiert, aber es klappte einfach nicht. Die Tatsache, dass alle anderen Jungs der Gruppe am laufenden Band gutes Material komponieren können, lässt Mac an seinem eigenen Können zweifeln. „Niemand wird gern als Dummbeutel abgestempelt,“ sagte er. „Ich bin dadurch echt ein bisschen verwirrt und denke oft: ‚Ich bin gar nicht so gut‘, oder ‚Ich tauge wirklich nicht‘ und so sinkt mein Selbstvertrauen tiefer und tiefer. Ab und zu geht es mir sogar so schlecht, dass ich denke: ‚Ich kann wirklich besser die Gruppe verlassen. Manchmal setze ich mich hin, mit dem festen Plan einen Song zu schreiben. Dann schöpft man Vertrauen und sagt zu sich selbst: „Das musst Du doch können!“ Aber kurze Zeit später denk ich dann wieder: ‚Nein, das kannst du ganz bestimmt nicht, dazu reicht’s einfach nicht.. .‘ Das ist traurig und deprimierend, aber die Wahrheit. Ich gehe davon aus, dass man besser nichts tut als zu riskieren, etwas falsch zu machen.“
WACH- UND RENNHUNDE
Ausser für Musik hat Mac auch noch eine grosse Leidenschaft für Hunde. Während er uns durch den grossartigen Garten führt, der gerade von Gärtnern in Ordnung gebracht wird, erzählt er uns von einem jungen Schäferhund, den er seit kurzem besitzt. „Das Tier lief auf einer Hauptverkehrstrasse und wurde von allen Seiten von den vorbeifahrenden Autos bedrängt. Jemand hatte das Tier da ausgesetzt, um es los zu werden. Ich finde sowas skandalös.“ Das Tier heisst jetzt ‚Sugar‘ und läuft frei und bellend in seinem Haus herum. Mac’s Hobby geht soweit, dass er ausser dem Schäferhund auch noch einen Wachhund hat. Seit August vorigen Jahres ist er ebenfalls stolzer Besitzer eines irischen Rennhundes. Der Hund heisst ‚It’s Mine‘ und hat das erste Rennen, das er lief, gewonnen. Deshalb setzen sehr viele Leute bei den verschiedenen Rennen auf ihn. Beim letzten Mal hatten die Leute, die auf ihn gewettet hatten, echt Pech, denn auf halber Strecke hatte ‚It’s Mine‘ plötzlich keinen Nerv mehr und kam als letzter an.“ Wettet Mac auch auf seinen Hund? „Ja, natürlich, ich wette immer auf ihn, ob er Favorit ist oder nicht. Es ist immer eine kleine Sensation für mich und es erfüllt mich mit Stolz und Freude, wenn ich meinen eigenen Hund im Rennen sehe. Natürlich habe ich oft genug Pech und er wird nur zweiter oder dritter. . .“
Nun, wenn man sich alle materiellen Vorteile betrachtet, die die Faces durch ihren jahrelangen Erfolg hatten, kann man sich wohl denken, dass Geld für lan McLagan keine Rolle spielt.