Jon Lord über Paul Rodgers: Wir wollten ihn um jeden Preis … !


Bevor die neue Deep Purple-Besetzung feststand und das ‚Burn‘ Album in Montreux autgenommen werden konnte, gab es Krach und eine langwierige Suche nach neuen k Musikern. Darüber sprach ME mit Jon Lord, und es zeigte sich, dass dieser kein Blatt vor den Mund nahm:ME: Mit Ritchie Blackmore hast Du dich doch mal ne Zeitlang gar nicht gut verstanden . . . JON: Stimmt, aber es ist längst wieder alles cool zwischen uns. Unser gutes Verhältnis war eigentlich nie gestört. Es gab eben nur so’n paar Meinungsverschiedenheiten. die sich auf unsere Musik bezogen, doch auch das ist inzwischen längst vergessen. ME: Auf der letzten grossen Deep Purple-Tournee im vergangenen Jahr habt ihr widersprüchliche Interviews gegeben, in denen es mal hiess, lan Gillan geht, und mal. dass er bleibt. Wie darf man sich das erklären und wie seid ihr jetzt, nachdem lan und Roger gegangen sind, zu euren neuen Leuten gekommen? JON: Nun, wir haben es schon Monate im voraus gew’usst, dass lan uns am 30. Juni 73 verlassen wollte, aber wir haben es nicht gleich an die grosse Glocke gehängt. Wir haben versucht, es im Anfang zu verheimlichen, denn wir wollten so schnell die Hoffnung nicht aufgeben und haben alles Mögliche angestellt, um lan in letzter Minute doch noch umzustimmen. Doch seine Entscheidung und auch die von Roger stand fest. Mir war sofort klar, wer unser neuer Bassist sein würde. Ich hatte die Band ‚Trapeze‘ bereits einige Male ‚live‘ gesehen, und Glenn gefiel mir sehr gut. Als wir unsere letzte Amerika-Tournee beendet hatten und lan und Roger uns verliessen, fragten wir Glenn. Er war ebenfalls gerade von einer US-Tournee mit ‚Trapeze‘ nach England zurückgekehrt. Glenn brauchte zwei Wochen Bedenkzeit – dann sagte er ‚ja‘. Das Problem mit dem neuen Bassist war also gelöst. Wir hatten schon vorher beschlossen, dass, wer immer neuer Bassist werden würde, auch singen sollte. Doch uns fehlte nun noch der Lead-Sänger. Wir fragten Paul Ro gers von ‚Free‘. Er überlegte es sich für eine Weile, doch dann entschied er sich dafür, nicht bei Deep Purple einzusteigen, weil er bereits eine Reihe anderer Pläne geschmiedet hatte, die er nicht in der Schublade verschwinden lassen wollte. Er sagte, er wäre gerne zu uns gekommen, aber seine alten Verpflichtungen und seine neuen Ideen hinderten ihn daran. Es war nicht leicht für uns, mit dieser Tatsache fertig zu werden, denn wir hatten uns scnon ganz auf Paul eingestellt. Wir wollten ihn um jeden Preis.

„ICH WILL KEINE NAMEN NENNEN, ABER …“

Doch er liess sich einfach nicht umstimmen. Jetzt wussten wir wirklich nicht, wie’s weitergehen sollte. Inzwischen stand jedoch in allen Zeitungen, dass lan Gillan uns verlassen hatte. Als Reaktion darauf schickten uns unzählige Leute Tonbänder mit Probeaufnahmen ins Haus. Einige der Bewerber waren sogar sehr bekannte Rock-Grössen, und, ich will keine Namen nennen, aber selbst viele Aufnahmen von denen waren einfach scheusslich. Wir waren der Verzweiflung schon recht nahe, doch dann eines Tages kam dieses Band von Dave (Coverdale). Es stach aus den anderen hervor wie ein Diamant aus einem Haufen Glasscherben. ME: Das vorige Deep Purple-Album ‚Who Do You Think We Are‘ benötigte eine Aufnahmezeit von sechs Monaten. Diesmal mit ‚Burn‘ seid ihr in acht Tagen bereits fertig geworden … JON: Nun, beim letzten Album schleppte sich alles so vor sich hin, weil die Stimmung in der Band nicht gerade die Beste war. Es war beinahe unmöglich, sich zusammen hinzusetzen und Songs zu schreiben. Schliesslich begannen wir in Rom mit den Aufnahmen. Die Studio-Zeit, die wir für die gesamten Aufnahmen geplant hatten, reichte jedoch nur aus, um zwei Songs hinzukriegen. So fuhren wir schliess lieh nach Frankfurt, wo wir den Rest der LP im Studio schrieben und aufzeichneten. Bei unserem ‚Burn-Album lief alles viel besser. Wir sind zunächst für zwei Wochen auf’s Land gezogen. Dort haben wir die neuen Stücke geschrieben und gründlich durchgeprobt. Jeder Song stand also schon genau fest, bevor wir nach Montreux kamen, um die Sachen aufzunehmen. Das Aufnehmen allein nimmt noch die wenigste Zeit in Anspruch. Da kommt es dann nur noch darauf an, dass jeder Song den richtigen Sound bekommt. Nun, eine Woche Aufnahmezeit für ‚Burn‘, das ist eigentlich kein Kunststück. Auf dem Album stehen acht Nummern – und pro Tag ein Titel, das ist schon zu schaffen. Ich brauche wohl nicht extra zu erwähnen, dass wir diesmal mit Glenn und David natürlich viel relaxter an die Sache rangingen.

„VON JEDER MARK 75 PFG. STEUERN“

ME: Was ist denn nun der wirkliche Grund dafür, dass ihr – nun schon zum zweiten Mal – nach Montreux in die Schweiz kommt, um eure Platten aufzunehmen? JON: Sehr einfach – Steuergründe. Wenn wir eine Platte in England aufnehmen, müssen wir von jeder Mark, die wir verdienen, 75 Pfennig Steuern bezahlen. Zweitens haben wir hier schon ‚Machine Head‘ aufgenommen, wir kamen also in eine bekannte Umgebung. ME: Als Tontechniker im ‚Rolling Stones Mobile Studio‘ habt ihr Martin Birch engagiert, der unter den Insiders der englischen Rock-Szene wahnsinnig gelobt wird. Wie kommt ihr mit ihm zurecht? JON-. Meiner Meinung nach ist er der beste Sound-Techniker, den es gegenwärtig in England gibt. Er ist beinahe sowas wie der sechste Mann in der Band. Er hat auch schon die fünf vorigen Deep Purple LP’s aufgenommen. Darunter das ‚Made In Japan‘ Live-Album, das für meine Begriffe einen hervorragenden Sound hat. Das Album wurde übrigens mit sehr dürftigem technischem Aufwand produziert. Wir konnten kein eigenes Aufnahmegerät mit nach Japan nehmen, deshalb benutzten wir zwei Vierspur-Tonbandgeräte, die zusammengekuppelt waren. Eine ziemlich komplizierte Angelegenheit mit zwei ganz winzigen Rayback-Lautsprechern – jaja, die Japaner sind eben kleine Leute. .. Zurück in England konnten wir es beinahe nicht glauben, dass die Aufnahmen überhaupt was geworden waren.

DEEP PURPLE – NUR IN JAPAN?

ME: Warum wurde das Live-Album ausgerechnet in Japan aufgenommen? JON: Während einer Tour durch Japan bat uns unsere dortige Plattenfirma darum. Zunächst sollte das Album eigentlich nur in Japan erscheinen. ME: In jüngster Vergangenheit sind von euch in Deutschland zwei Oldies-Singles erschienen. Ist das auf euren Wunsch hin geschehen? JON: Leider nein. Und ich möchte unsere deutsche Plattenfirma auch wissen lassen, dass ich nicht damit einverstanden bin, dass wir überhaupt nicht gefragt worden sind. Ich fände es gut, wenn ich als Musiker mehr Kontrolle über das hätte, was andere Leute mit meinen Produkten machen. Normalerweise fragt man uns natürlich schon in solchen Sachen. Natürlich weiss die deutsche Plattenfirma besser, was in ihrem Land ankommt und was nicht, deshalb will ich mich nicht lange mit ihnen streiten. Wenn eine Single ein Hit wird, war es richtig sie zu machen. Sowas weiss man eben immer erst nachher.