Von allen guten Gurus verlassen: Das neue Mahavishnu Orchestra


Das kann ja heiter werden! Nach Eric Clapton und George Harrison muß nun auch John McLaughlin (33) seinen Platz im Pop-Olymp räumen. Der Welt schnellster Gitarrist wollte sich gerade eine bequeme Säule für die Ewigkeit sichern, da traf ihn das Unglück. John, alias Der Mahavishnu, ist nur noch mäßig gefragt und das mit gutem Grund. Keine Eingebungen von oben mehr?

Keine Eingebungen von oben mehr?

Den Beweis lieferte der Meister am 9. Februar in der Hamburger Kongreßhalle. Selbst dort erging er sich mit einer neuen, zwei Damen und sieben Herren starken Band. Die nervtötende Vorstellung erstreckte sich über drei Stunden. John spielte mit Lichtgeschwindigkeit – zu laut – wie alle anderen. Neben ihm bekommt der hervorragende Geiger Jean-Luc Ponty kein Bein auf die Erde. Ponty sagt hinterher: „Ich wollte immer schon mit McLaughlin spielen. Ich bin hier der zweite Solist, sonst habe ich – leider – keinen Anteil.“ Auch die anderen Musiker sind nur Wasserträger (darunter ein sterbenslangweiliges modernes Streichertrio). Superleute wie Bill Cobham, Jan Hammer und Jerry Goodmann sind lange weg.

Die himmlische Erleuchtung bleibt aus. Wer „Visions Of Emerald Beyond“, die neue LP des Mahavishnu Orchesters, im Ohr hat, glaubt im falschen Konzert zu sein! Denn das Album ist brillant, zartfühlend, originell, mitreißend. Viele der 1500 Besucher verlassen die halbleere Halle vorzeitig. Die eingeschworene Mahavishnu-Gemeinde aber erklatscht sich noch drei Zugaben.

Im Anschluß an das mißratene Konzert findet, hoch über den Dächern von Hamburg, ein Essen statt – zu 90% vegetarisch, der Rest ist für die Unverbesserlichen. Der Mahavishnu hat 1969, bei seiner Bekehrung zum Hinduismus, dem Genuß von Fleisch, Alkohol, Drogen und Nikotin abgeschworen. Sieben weitere Orchestermitglieder dokumentieren durch weiße schlechtsitzende Kleider und grauenhafte Kurzhaarfrisuren, daß sie den weltlichen Genüssen entsagt haben. „Auch Sex ist nur im Notfall erlaubt. Unser Guru sagt: wenn überhaupt, dann morgens um sechs mit Blumen am Bett. Und nur, wenn man verheiratet ist.“

Vegetarische Musik

Die Orchestergemeinde wohnt im New Yorker Stadtviertel Queens, komplett mit Gurus, vegetarischen Restaurants, indischen Läden und vielen, vielen Gleichgesinnten. Tourmanager Joseph D’Anna: „John ist der glücklichste Mensch, den ich je erlebt habe.“ Und auch die anderen machen einen sonnigen Eindruck. „Wir meditieren bereits morgens um sechs und später noch mal vor dem Abendessen. Das verschafft gute Laune und den richtigen Durchblick.“ Fleischfresser Jean-Luc Ponty meint: „Ich halte von dem Zirkus nichts. Aber wir sind alle tolerant. Keiner versucht, mich zu bekehren.“ Und schließlich stimmt der kleinste gemeinsame Nenner: die Kasse. Denn wenn’s ums Geld geht, ist bei den indischen Gurus (und ihren Anhängern) bekanntlich die ganze transzendentale Stimmung verflogen. Sri Chinmoy, Guru von Mahavishnu und Devadip (alias Carlos Santana) dient den beiden auch als cleverer Finanzberater.