Southside Johnny:


Ein großes amerikanisches Musikmagazin schrieb, daß sie derzeit Amerikas beste Live-Truppe sind: Southside Johnny & The Asbury Jukes. Jetzt kam die Gruppe mit dem holprigen Namen zum ersten Mal für fünf Konzerte nach Deutschland. Dabei stellte sich heraus, daß die genannte Behauptung tatsächlich einen wahren Kern hat: bei Southside Johnny geht tierisch die Post ab!

Die Atmosphäre in Hamburgs „Onkel Pö“‚ ist eher ruhig. Auf der Bühne stehen neun Mikrofone, ein Piano und ein Schlagzeug. Der Laden ist halb voll. Am Eingang steht einer, der fragt den Kassierer: „Was issn das, Saussiide Dschonny?“ Der Türsteher zuckt mit den Schultern: „Weiß ich auch noch nicht..“.

In der Musikergarderobe ist der Teufel los. Ein Roadie hat Geburtstag, was nicht unbedingt mit Limonade begossen wird. Auf dem Tisch steht eine Flasche edlen Jack Daniels (Whiskey). Southside verschwindet für einen Moment, kommt mit zwei Armen voll Bier wieder zurück und verteilt den Whiskey gerecht auf die Biere. „Ich brauch das! Bei uns ist das Bier so schwach, daß wir uns immer mit Jack Daniels einen ,Boiler Maker‘ draus machen. Der geht rein wie Öl und außerdem gehts dann schneller. Prost!“ Würg…!!!

20 Minuten später besteigen 10 nicht mehr ganz nüchterne Männer die Bühne. Der Applaus ist eher müde. Hinter den Mikrophonen im Hintergrund bauen sich fünf Bläser auf. Davor stehen Gitarre, Bass, Schlagzeug, Piano. Aber optischer Mittelpunkt der Asbury Jukes ist besagter Southside Johnny. Mit einer heiseren Stimme begrüßt er das Publikum. Ein normaler Sänger würde in diesem Zustand den Auftritt verweigern. Später stellt sich heraus, daß diese Stimme nicht heiser ist, sondern echt!

One, two, three, four wie ein Donnerschlag fährt es dem Publikum in die Knochen. Rhythm & Blues at his best. Southside japst, gröhlt, schreit, turnt, tanzt und bewegt sich, als ob der Blitz in ihn gefahren sei. Jetzt wird dem Publikum klar, was hier los ist. Es dauert keine 10 Takte, da sind sich die Leute und die Band einig: Heute machen wir ’ne Party. Draußen am Telefon hat sich eine Schlange gebildet. Eine halbe Stunde später ist der Laden voll und Southside so weit, daß man ihn fast von der Bühne tragen muß.

Die musikalische Herkunft dieser Gruppe läßt sich leicht definieren: Da wo die Soul-Ära der sechziger Jahre aufgehört hat, den Rhythm & Blues als Essenz zu verarbeiten, da setzen die Asbury Jukes an. Hier wird nicht steriler Schönklang produziert, sondern die totale Anmache. Southside will, daß das Publikum nach einem Konzert mindestens genauso geschafft ist wie er.

In dieser Band werden Energien freigesetzt, wie man es wirklich sehr selten erlebt. Man möchte am liebsten auf die Bühne und mitspielen. Und obwohl die Stücke alle unbekannt sind, scheint die ganze Kneipe mitzusingen, mitzuswingen und mitzutanzen.

Das Konzert endet in Ovationen und mit einer spontanen Session. Wilson Pickett’s alte Nummer „Stagger Lee“ dient dabei als roter Faden. Je betrunkener die Gruppe wird, umso besser scheint sie zu werden. Mitten im Stück wird der Gitarrist auf die Schultern genommen, die Bläser rennen wild auf der kleinen Bühne durcheinander, doch nie geht die Kontrolle verloren. Muck, der eine Trompeter nimmt eine Gitarre und versucht ein Solo. Southside macht ihn fertig, reißt ihm die Saiten runter, tritt ihn in den Hintern und schickt ihn wieder an seinen Platz.

Southside Johnny & The Asbury Jukes kommen aus Asbury Park im Bundesstaat New Jersey, westlich von New York. Aus losen Sessions im Stone Poney, einer verräucherten Kneipe, hat es sich ergeben, daß Southside Johnny diese Band zusammenflickte. Bruce Springsteen kommt auch aus dieser Ecke. Vor knapp zwei Jahren machte auch er mit intensivster Musik weltweit Furore. Keine Frage, daß Springsteen und Southside befreundet sind. Bruce lieferte sogar einige Kompositionen für die beiden LPs „I Don’t Wanna Go Home“ und „This Time It’s For Real“, die mittlerweile von den Jukes auf dem Markt sind. Hin und wieder machen die beiden zu Hause in Asbury Park sogar gemeinsame Sessions, von denen die Öffentlichkeit erst am selben Abend erfährt. Southside macht sich nicht viel aus Publicity.

Ein Interview mit ihm ist ein Fight. Lausige Fragen beantwortet er mit einem hämischen Lachen, so daß man bald die Lust am Schlagabtausch verliert. Man muß ihn eigentlich auch gar nichts fragen. Er erzählt von selber. Er fühlt sich nicht als Star, läßt sich von keinem was vorschreiben, zahlt seinen Musikern dieselbe Gage aus, die er auch kassiert. Er ist das typische Beispiel des amerikanischen Underdog. Von Karriere hält er nicht viel. Er will nur spielen. Und was hat er gemacht, bevor er gespielt hat? Die Antwort ist klassisch: Cowboy, Holzfäller, Tellerwäscher usw. Hat er nicht Probleme mit anderen Gruppen, wenn er ihnen als Vorgruppe die Schau stiehlt? „Das ist so ein Problem für sich. Normalerweise verbieten sie dir als Vorgruppe Zugaben zugeben. Aber stell Dir doch mal vor, da käme so ein Roadie und würde sagen halt, stop, keine Zugaben. Der würde ganz schön blöd aussehen. Wir sind nämlich immerhin 10 Mann, und wer will schon 10 Mann vorschreiben, was sie zu tun haben. Wir haben bisher immer unsere Zugaben gespielt, ohne Rücksicht auf irgendwelche Fuzzies, die für einen minutiösen Ablauf geradestehen müssen…“

Nach dem grandiosen Erfolg in Deutschland wollen die Asbury Jukes natürlich so schnell wie möglich wiederkommen. „Aber dann müßten wir schon in größere Hallen gehen, denn was nützt es, wenn vor dem Uncle Pö ein Haufen Leute stehen, die nicht rein können…“ Hoffentlich erbarmt sich schnell ein deutscher Veranstalter unserer ausgehungerten Seelen…