AC/DC – Harter, dreckiger Rock’n’Roll
Ein paar Tausend Headbangers in Leder werden langsam ungeduldig, schreien nach Angus. Die anderthalb Tonnen schwere Glocke hoch über der Bühne klingt ziemlich bescheiden gegen das Gitarren-Intro zu „Hells Bells“, das jetzt das mittelgroße Theater in Birmingham zum Erbeben bringt. AC/DC sind definitiv back, meinetwegen in schwarz, aber sie haben es nicht verlernt, hart loszurocken und die Fans mit ihren amüsanten Einlagen (Gitarrensoli im Duchwalk etc.) zu unterhalten.
Angus Young (Leadgitarre) und sein Bruder Malcolm (Rhythmusgitarre), bekanntlich die „kleinen Brüder“ des Easybeats-Gründer George Young, führten die Band seit 1974 vom hungerleidenden Clubact steil nach oben. Ihre jüngste LP, BACK IN BLACK, schoß hoch in die Charts und hielt sich hierzulande über einen erstaunlichen Zeitraum in den begehrten, besseren Positionen. Der Erfolg geht natürlich auch auf das Konto von Bassist Cliff Williams, Drummer Phil Rudd und zuguterletzt natürlich auch auf das des neuen Sängers Brian Johnson.
Nach dem Eindruck, den dieses energiestrotzende Konzert und das anschließende Interview vermittelten, scheint Brian der richtige Mann für die Band zu sein, nachdem AC/DC mit dem plötzlichen Tod des exzentrischen Bon Scott konfrontiert waren. Wie kam es, daß Brian zur Band stieß?
„Bon mochte nicht viele Sänger“, meint Angus, „aber ich erinnere mich daran, daß Brian ihm gefiel. Bon hatte ’73 mal im Vorprogramm Brians damaliger Band Geordie gespielt, als er noch mit einer Gruppe namens Fraternity aufgetreten war. Irgendwie habe ich immer daran gedacht. Abgesehen davon, haben uns auch viele Fans angerufen und uns den Tip gegeben, Brian zu engagieren. So kann man sagen, daß Brian zu hundert Prozent durch Bon abgesegnet wäre. Wir haben nicht darauf geschaut, ob der neue Sänger eine zweite Verkörperung Bon Scotts ist, aber wir suchten jemanden, der ebenso gut ist und dieselbe Energie besitzt. Als wir BACK IN BLACK aufnahmen, handelte es sich in der Tat zum Teil um Songs, die noch auf Bon zugeschnitten waren.
Der entscheidene Telefonanruf kam von Malcolm. Er erreichte Brian, als der gerade darangehen wollte, seine lautstarke Band Geordie neu zu aktivieren.
„Ich war immer ein AC/DC-Fan, obwohl ich sie nie gesehen habe,“ erklärt Brian in seinem harten Newcastle-Akzent. „Immer wenn sie in meiner Gegend auftraten, hatte ich mit meiner eigenen Band Gigs. Aber ich war mit ihrem Material vertraut, weil ich all ihre Platten hatte und weil wir in meiner alten Band auch ein paar AC/DC-Nummern im Programm hatten. Als ich den Anruf bekam, brauchte ich fünf Sekunden, um mich zu entscheiden, weil ich AC/DC immer sehr geschätzt hatte. Natürlich tat es ein wenig weh, als ich von Geordie Wepp ging, weil es eben immer schwierig ist, wenn du Leute verläßt, die du magst. Aber es ist auch schön, zu Leuten zu gehen, die einfach großartig sind. In den meisten Fällen triffst du es dort sowieso besser als da, wo du herkommst.“
Nachdem sie Brian eingestellt hatten, flogen die Musiker auf die Bahamas, um BACK IN BLACK einzuspielen, und zwar zusammen mit dem Produzenten Mutt Lange, der schon für ihren Bestseller HIGHWAY TO HELL verantwortlich gewesen war. Außerdem mußten sie mit Brian die alten Live-Renner einstudieren. AC/DC bekamen ihre Situation wieder in den Griff, obwohl dem alten Geordie vor Spannung doch noch etwas die Hose flatterte, ehe er zum erstenmal mit AC/DC vors Publikum trat. „Ich muß gestehen, daß ich unruhig war. Angus sagte mir, daß sich die echten AC/DC-Fanatiker in England und der Bundesrepublik herumtreiben. Darum wußte ich nicht, was mich erwartet, aber bislang waren sie wirklich fantastisch. Natürlich vermissen die Fans Bon, und ich weiß, daß sie mich mit ihm vergleichen, aber sie werden bald merken, daß dies neue AC/DC mit einem neuen Sänger sind.“
Auf der Bühne sind diese neuen AC/DC im wahrsten Sinne des Wortes Dynamit. Ihr unverkennbarer, rauher Rock’n‘-Roll läßt dir das Rückenmark ebenso gefrieren wie der Blick einer Giftschlange. Jeder einzelne Musiker steht im Spot; Mittelpunkt bleibt trotzdem natürlich Angus in seiner grünenSchuljungen-Uniform, wenn er seine haarsträubenden Gitarrenriffs abläßt und Brian noch darüberhinweg jault. Einer der Höhepunkte: „You Shook Me All Night Long“. Natürlich ging es auch diesmal nicht ohne die obligatorischen Einlagen ab. Was ist ein AC/DC-Konzert, wenn Angus nicht mit der drahtlosen Gitarre durchs Publikum hetzt, während die Fans versuchen, das allmächtige Instrument (und ihn natürlich auch) zu berühren. Diesmal hatte er sich nahezu sämtliche Kleider vom Leibe gestreift. Die Band selbst ist übrigens mit der Kategorisierung „Heavy Metal“ nicht so ganz einverstanden. „Harter, dreckiger Rock’n’Roll paßt besser…“
Auffällig war, wie unterschiedlich sich die Band live verglichen mit dem Album anhörte, speziell Brians Gesang. „Ich selbst merke die Spannung in meiner Stimme ganz genau auf BLACK IN BLACK. Ich kann wirklich die Angst heraushören, ob denn wohl auch alles richtig klingt. Seitdem hatte ich aber Zeit genug, mich in die Band einzugewöhnen. Das hauptsächliche Problem lag darin, daß Angus und Malcolm dabei war, die Songs zu schreiben, als Bon starb, und das hat sie offensichtlich eben doch aus der Bahn geworfen. Dann hatten sie einen neuen Sänger…mich, der völlig andere Vorstellungen hat als Bon. Gleich danach sind wir ins Studio gegangen, weil das Album schon überfällig war. Viele der Songs auf der LP habe ich bei den Aufnahmen wirklich zum erstenmal gesungen. Aber inzwischen habe ich sie meinem Gesangsstil angepaßt.“
„Wir brauchten sechs Wochen für die Aufnahmen,“ erklärt Angus. „Früher hatten wir nie viel Zeit, um uns das Material noch einmal in Ruhe anzuhören. Aber bei den letzten LPs hatten wir eine oder zwei Wochen mehr zur Verfügung. Ein paar von den alten Alben entstanden wirklich erst während der Aufnahmen, darum standen wir unter Druck. Das heißt nicht, daß ich auf eines dieser Alben verzichten möchte. Ich finde noch immer, daß es gute Platten sind, aber wir wollen natürlich weiterkommen, und die Musik perfektonieren.“
AC/DC sind nach wie vor echte Headbanger. Laut Angus hatte Bon Scott seinen Höhepunkt als Sänger noch nicht erreicht, aber er konnte einigen renommierten Vokalisten durchaus etwas vormachen. Aber der Rock’n’Roll ist eben so schnell, und Leute, die zuviel trinken, werden schnell Opfer derartiger Unfälle. Den Startrip habe er hinter sich, meint Angus, als er völlig ausgepumpt nach seiner tour der force in der Garderobe hängt. „Für mich ist es aufregend, wenn ich Gitarre spiele und durch die Power aus dem Publikum so richtig aufgeputscht werde. Keiner von uns fühlt sich als Star. Die andern Jungs aus der Band gehen manchmal nach dem Gig noch runter in den Pub und trinken etwas, aber das ist alles.“ Angus übrigens trinkt nur Tee. Bon liebte die Pubs ebensfalls, und sein Image als Trunkenbold macht schnell die Runde. Darum mußten AC/DC auch viel Kritik einstecken, weil allgemein angenommen wurde, der Song „Have A Drink On Me“ von der neuen LP würde sich auf Bons Tod beziehen.
„Der Titel ,Back In Black‘ ist für Bon.“ Angus reagiert noch immer ziemlich sauer auf dieses Thema. „Wir wollten keine Widmungen, weil Bon uns mehr als nur eine Widmung bedeutete. Deshalb geht es uns an die Nieren, wenn man uns jetzt ständig vorwirft, wir hätten ,Have A Drink…‘ für Bon geschrieben. Es ist reiner Zufall. Nebenbei ist Bon niemals an Alkoholvergiftung gestorben, wie viele Zeitungen berichteten. Er erstickte an seiner verdammten Kotze. Ich kannte Bon gut. Manchmal kam er monatelang aus, ohne zu trinken. Er war kein Alkoholiker. Manchmal trieb er es nur ein wenig zu wild, aber er blieb immer noch ein freundlicher Betrunkener und von den meisten Leuten völlig mißverstanden. Ich erinnere mich an ihn als großartigen Freund und Sänger. Ich bin nur enttäuscht, daß er nicht mehr nach Australien kam, als er berühmt wurde. Er konnte erst nach seinem Tode zurückkehren. Wir bringen es immer noch nicht fertig, so richtig darüber nachzudenken. Wir haben eine neue Besetzung mit neuen Songs und eine tolle Zukunft. Wie es aussieht, kommen wir nächstes lahr nach Hause nach Australien, um denen zu zeigen, wer AC/DC jetzt ist.“