Antilopen Gang

Anarchie und Alltag

JKP/Warner

HipHop zur Selbstverortung: Bericht zur Lage der Nation mit hellsichtigen Analysen und irrlichternden Parolen.

Im Albumtitel eine Referenz an die größte deutsche Punk-Platte, MONARCHIE und ALLTAG, im Stück „Fugen im Parkett“ ein Beitrag von Schorsch Kamerun und dann zum Finale doch ein Schlussstrich unter Verklärung und Heldentheater: „Gestern war nicht besser“. Mit den 14 neuen, beim Toten-Hosen-Label JKP veröffentlichten Tracks sind die Antilopen wieder angetreten, gegen den Strich zu bürsten.

Diese Platte kommt einer Abrechnung mit Gott, der Welt, Deutschland und mit uns selbst gleich, wild mäandernd zwischen Zynismus, Wut und Witz. Das reicht bis zu irrlichternden Parolen, die, wenn’s doof läuft, auch Jubel von rechtsaußen erhalten werden. „Weg mit dem Scheißland“ rappt Panik Panzer im Stück „Baggersee“ und schickt mit den Kollegen Koljah und Danger Dan gleich einen krachledernen Refrain hinterher: „Atombombe auf Deutschland, dann ist Ruhe im Karton, Atombombe auf Deutschland, alles Gute kommt von oben“.

So ist beileibe nicht das ganze Album, die Antilopen kehren auch schön vor der eigenen Türe. Es gibt HipHop-inside-Erzählungen, hellsichtige Selbstverortungen (die Konzerte als „Gruppentherapie“) und ein Trostlied namens „Alf“. An einer Stelle ulkt sich die Gang mit einer Hymne auf die Pizza aus dem allgemeinen Krisenkriegschaos dieser Tage in so etwas wie Karnevalslaune: „Hauptsache Käse, die Welt ist eine Scheibe“.

ANARCHIE UND ALLTAG darf auch als Reflex auf die mediale Aufmerksamkeit verstanden werden, die dem HipHop-Trio mit dem Track „Beate Zschäpe hört U2“ zukam. Die Antilopen hatten den Zschäpe-Hit mit dem Hinweis auf die „Banalität des Bösen“ (Hannah Arendt) philosophisch unterfüttert, sprich: Neo­nazis sind als Normalos längst mitten unter uns. Als preisgekrönte Polit-Rapper wollten sie dann aber nicht weitermachen. „Das Trojanische Pferd“ steht dem Album jetzt als Leitmotiv voran, die Gang ernennt sich zum Schadprogramm, das mit der Zerstörung von innen be­ginnt, „ein bisschen wie bei Ulrike, bevor sie abtauchte“. Das ist dick aufgetragen und nicht die einzige RAF-Botschaft auf dieser Platte.

Die zweite spielt im Konjunktiv, sie macht sich über den Mythos lustig: „Und wär’ Andreas Baader nicht in Stammheim gestorben, wär’ er früher oder später sicher Kanzler geworden“. Unberechenbar und wendig bleiben, das haben sich die Antilopen auch für die Musik ins Stammbuch geschrieben. Zwei Songs gehen als Pop-Hymnen mit Radio-Qualität durch („Tindermatch“, „Liebe Grüße“), wir hören Punk-Gebratze und Campino- und Hosen-Gedisse, weil man sich ja für die Unterstützung vom System nicht auch noch bedanken muss – einmal ein (ironisches?) Oldschool-Gitarrensolo aus dem Schweinerock („Fiasko“). Ganz aktuell dazu die erste Zeile vom ersten Fehlfarben-Album: „Die Schatten der Vergangenheit: Wo ich hingeh, sind sie nicht weit“ („Hier und jetzt“).