Tamikrest
Kidal
Glitterbeat/Indigo
Die Wüsten-Blues-Band aus Mali gelingt trotz Exil und Kriegswirren in ihrem Heimatland ein großes Album.
Im Nordosten von Mali am Rande eines Gebirgsmassivs liegt die Stadt Kidal, und egal, in welche Himmelsrichtung der Blick schweift: Viel mehr als Sand, Steine und Lehmziegelbauten sind nicht zu sehen. Aber wie der Mensch nun mal so ist, schafft er es auch hier nicht, in Frieden zu leben. Große Unruhe herrschte in der Stadt, von der die Aufstände der Tuareg schon in den Sechzigern ausgingen, in den letzten Jahren. Kidal bleibt der Geburtsort von Tamikrest, auch wenn die Mitglieder der Wüsten-Bluesband im Exil leben. Kidal ist auch ein Sehnsuchtsort, denn das Volk der Tuareg hat die Hoffnung nicht aufgegeben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, in dem diese Stadt eine zentrale Rolle spielen würde. Deswegen gaben Tamikrest ihrem vierten Studioalbum auch den Titel KIDAL.
Natürlich haben sie es dort nicht eingespielt, viel zu gefährlich, sondern in Bamako. Zwei Jahre nahmen die Aufnahmen wegen der in Mali herrschenden Widrigkeiten und Reiseproblemen in Anspruch. Zwei Jahre konnten die Songs, die von Repression, Menschen und ihrem harschen Lebensraum, aber auch von der Hoffnung erzählen, also reifen. Die Faszination, die von ihnen ausgeht, liegt auch darin, dass die Angehörigen eines rebellischen Nomadenvolkes trotz all des Leids um sie herum nie in Aufgeregtheit verfallen.
Tamikrest zeigen sich einerseits als Bewahrer der Tuareg-Musik, andererseits verschließen sie sich nicht der Moderne. In diesem Spannungsfeld bewegen sich die elf Lieder, die alle von einem unwiderstehlichem Groove getragen und von etlichen Gitarren dominiert werden. Viele akustische wie elektrische Saiten-Instrumente gibt es zu hören, nur die Djembe (eine Trommel) und Stammesgesänge stehen für Tradition. Trotzdem steckt die Musik von KIDAL weiterhin tief im Wüstensand, aber diese nordafrikanische Interpretation des Blues wird umweht von westlichen Einflüssen.
Vor allem legen Tamikrest mehr und mehr die Gemächlichkeit der frühen Tage ab, verstehen es immer besser, die Einflüsse Folklore, Blues und Rock sowie das Tempo zu variieren. Der vielleicht schönste Song von KIDAL versteckt sich in der Mitte des Albums: „Tanakra“ heißt dieses akustische Lied, über dem ein melancholischer Zauber liegt, auch weil hier Gitarrenriffs so lange manipuliert wurden, bis sie sich in schwebende 70er-Prog-Keyboards verwandelt haben.