R.E.M.


Einziges Deutschland-Konzert! Medienvertreter aus allen Teilen der Republik kommen in den Industrie-Park am Rhein. R.E.M.! Aus Athens/Georgia!

Doch dies ist nicht dieselbe Band, die noch vor dreieinhalb Jahren im kleinen Hamburger „Knust“ so schüchtern-unentschlossen agierte, als wäre sie am liebsten unsichtbar. Dies ist allerdings auch nicht die Band, die ihre letzten Platten mit fast schon beängstigender Konzentration und Schärfe einspielte. Das gewaltige Energie-Plus, das die Vier heute auf der Bühne freisetzen, führt R.E.M. nicht selten auf musikalisches Niemandsland, in ein irritierendes Nirwana, vor dem selbst die Band mit großen Kulleraugen des Erstaunens wie versteinert innehält.

Gitarrist Peter Bück knüpft, solide unterstützt vom Rhythmusteam Mills/ Berry, die musikalischen Fäden. Körperlich stets präsent, voller Hingabe um seine Rickenbacker bemüht, gibt er den perfekten Bastard aus Keith Richards und Pete Townshend. Sänger Michael Stipe ist das ideale Pendant —ein abtrünniger Erzengel, der, zunächst verhalten, später selbstbewußter, dem Teufel Tips gibt, wie man noch ein paar Seelen mehr auf die andere Seite ziehen könnte.

Im dämonischen Intro zum unbarmherzigen „The One I Love“ spielt er diesen Part großartig; auch „Superman“ lebt durch Stipes stoische Pose. Doch die Sonne geht erst richtig auf, als sie Televisions „See No Evil“ runterknallen. Und gleich danach „It’s The End Of The World…“, die beste Nummer vom neuen Album.

Im langen Zugabenteil wird die Bühne endgültig zum öffentlichen Übungsraum erklärt. Nach längerem Kriegsrat entscheiden sich R.E.M. schließlich aus gegebenem Anlaß für eine chaotische Impromptu-Auflage von Bolans „20th Century Boy“; mit einem rabiaten „Fun Time“ wird dann den Stooges Tribut gezollt. Zum Schluß richtet Stipe, die imaginäre Pistole an der Schläfe, symbolisch die USA.

R.E.M. könnten die „beste Band der Well“ oder sowas ähnliches sein, wenn sie disziplinierter zu Werke gehen würden. Aber ich kann nicht verhehlen, daß sie mir gerade durch dieses kleine Manko verdammt sympathisch sind.