Foreigner: Krisen-Management


Daß es kriselte bei der Platin- und Goldverwöhnten Truppe, in der Lou Gramm das Singen und Mick Jones das Sagen hat, war seit langem kein Geheimnis mehr. Gerüchte über eine bevorstehende Auflösung verdichteten sich, als im Frühjahr ’87 Gramm die Öffentlichkeit mit einem Solo-Album überraschte. Auch wenn dem Ausbruchversuch dies- wie jenseits des großen Teiches nur mäßiger Erfolg beschieden war, auch wenn die darauffolgende Tournee durch die Staaten und Europa erwartungsgemäß floppte: An den Fortbestand von Foreigner mochte zu diesem Zeitpunkt niemand mehr glauben.

Als nun vor wenigen Wochen Band-Chef Jones zum Interview ins noble Münchener „Vier Jahreszeiten“ lud, brannte eine Frage wie kaum eine andere unter den Nägeln: Ist die Stimme von Foreigner, ist Lou Gramm noch Mitglied der Band?

„Ich hatte wohl unterschätzt, wie ernst es Lou mit dieser Solo-Geschichte war. Bis dahin war ich immer davon ausgegangen, daß Foreigner auch bei ihm absolute Priorität genoß. Als wir aber nun, nachdem wir neun lange Monate auf ihn warten mußten, endlich mit den Proben zu unserem neuen Album beginnen wollten, hieß es auf einmal, Lou werde in Kürze mit seiner Band auf US-Tournee gehen. Und das, muß ich zugeben, irritierte mich dann doch ein wenig.“

Die Irritation ging soweit, daß man nicht mehr miteinander sprach, Probleme Probleme sein ließ und das Schiff munter auf die drohenden Klippen zudriften ließ. Bis Mick Jones sich dazu entschloß, über seinen eigenen Schatten zu springen, indem er das klärende Gespräch mit Gramm suchte: „Am Tag, als es tatsächlich darum ging, die Band aufzulösen, rief ich Lou an und sagte ihm: ‚Hör zu, wir haben es irgendwie verpaßt, miteinander zu reden. Ich bin der Meinung, nach der langen Zeit, die wir miteinander arbeiten, nach allem, was wir zusammen erreicht haben, verdient es doch wenigstens ein offenes Gespräch zwischen uns, oder?‘

Bei diesem Gespräch wurde beschlossen, es noch einmal eine Woche miteinander zu versuchen, um zu sehen, wie groß der Graben zwischen uns geraten war. Lou bestand weiterhin auf der Dringlichkeit seiner Solo-Karriere, während ich versuchte, die ganze Angelegenheit objektiv zu betrachten, unter dem Aspekt, daß wir einfach nur diese Platte zusammen fertigstellen wollten.“

Die Vorbereitungen zu INSIDE INFORMATION, so der Titel der neuen LP, verliefen dementsprechend sachlich, konzentriert und wie die eigentliche Produktion sehr zügig. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: keine bösen Überraschungen erwarten die Fans, Sondern Foreigner at its best. Gitarrenorientiert rockig, ohne viel Schnick Schnack, aber mit den gewohnt eingängigen Gesangsmelodien.

„Ich habe mit Bassist Rick Wills und Drummer Dennis Elliot alles sehr sorgfältig ausgearbeitet, bis Lou als letzter dazu kam. Insofern ähnelt diese Platte vielleicht am ehesten dem ersten Album, daß ich auch mehr oder weniger alleine aufbaute. Verglichen mit AGENT PROVOCATEUR bin ich bei INSIDE INFORMATION mehr von der Gitarre als Basis ausgegangen und habe die Synthesizer mehr im Hintergrund gelassen. Es hatten sich unheimlich viele Ideen angesammelt, und ich habe mir sehr viel Zeit genommen, die besten Sachen davon herauszupicken. Es geht einfach alles viel reibungsloser, wenn man genau weiß, was man will, und nicht einfach ins Studio reinstolpert und sich erst einmal fragen muß, was man dort eigentlich will.

Weißt du, manchmal beginnt man auch, sich selbst zu ernst zu nehmen, man verliert die Realität aus den Augen und denkt für vielleicht zehn Minuten, Tage oder Monate: ‚Mein Gott, ich bin wirklich wundervoll!‘ Bis irgendwann die Öffentlichkeit all das, woran du Idiot geglaubt hast, mit einem Schlag niederschmettert. Man verliert einfach schon mal die Kontrolle, auch wenn man sich selbst einredet, selbstkritisch zu sein.“

Unkritisch scheint Mick Jones bis heute nicht gewesen zu sein; 1987 feierte Foreigner zehnjähriges Jubiläum und kann dabei auf eine stolze Ansammlung von Gold und Platin-Auszeichnungen blicken. Dennoch ist der Hunger nicht gestillt. Für Jones bedeutet es nach wie vor eine Herausforderung, Schallplatten zu produzieren und damit auch vor einem jungen Publikum bestehen zu können. Daß das aber nicht unbedingt für immer und alle Zeiten mit Foreigner geschehen muß, deutet er bereits an: „Ich habe vor, mein längst überfälliges Solo-Projekt in diesem Jahr zu starten, das sicher stärker politisch motiviert sein wird und ein Gebiet abdecken soll, das mich schon länger beschäftigt. Ich habe ein vages Konzept, das sich allerdings stark von Foreigner unterscheiden wird. Mehr kann und möchte ich im Moment noch nicht dazu sagen.“