Frank Zappa
Köln, Sporthalle
Hintersinnige Tonrätsel, hochgezüchtete Arrangements, kakophonische Free Jazz-Überfälle, obszöne Textgebilde, mathematisch-strenge Musik, die sich aller nur erdenklichen Quellen bedient… Richtig —- das kann nur Frank Zappa sein. Der gelernte Bürgerschreck gab nach vierjähriger Bühnenabstinenz vor 6000 Fans ein musikalisches Lehrstück in Sachen Zappalogie. Der 47jährige wollte die Gitarre bekanntlich an den berühmten Nagel hängen und drohte damit, nie wieder live aufzutreten. Sieben Monate habe er gebraucht, um sich sein Selbstkomponiertes wieder draufzuschaffen. Am 2. Februar ’88 war’s dann soweit: Zappa startete im amerikanischen Albany mit seiner beängstigend-perfekten, hochkarätig besetzten 11-Mann-Band zur klingenden Weltreise. Es schien, als habe der Berufszyniker sogar etwas wie eine Botschaft für die Popkultur. „Einer der unglücklichsten Aspekte der Popmusik in den späten Wem“, so ließ er verlauten, „ist das fast völlige Aussterben von Gruppen, die noch versuchen, live zu improvisieren. In den letzten Jahren hat man einen wachsenden Trend hin zu gefriergetrockneten Spielweisen beobachten können —- gesüßt durch vorab aufgenommene Hintergrundklänge und vorgetragen mit dem einen Ziel, die Hits zu reproduzieren.“
Zappa trat nicht nur in Köln den Beweis an, daß es auch anders geht. Mit souveräner Nonchalance führte der Maestro sein volltönendes Orchester, ließ die fünfstimmige Bläsersektion (u.a. mit den Fowler-Brüdern) jauchzen, gab seinem schwarzen Gegenspieler Ike Willis die Gesangseinsätze und ließ sich selbst für seine eigentümlich-dissonanten, klanglich sehr gewagten Soli von einem Gitarren-Roadie das Instrument reichen.
Nicht genug damit, daß seine Herren Musiker 106 Songs aus dem reichhaltigen Repertoire beherrschen, sie kennen auch ihre Grammatik im Schlaf. Ob Soul, Rock, Jazz oder Avantgarde —- die Zappaisten plündern und persiflieren jedes Genre mit leichter Hand, wobei die Grenzen zwischen den Stilarten merkwürdig ins Fließen geraten. Da ertönt ein harmonisch einfach-gestricktes Kinderlied, um gleich im Anschluß von kompliziertem Ensemblespiel abgelöst zu werden; da wird Ravels „Bolero“ in direkter Nachbarschaft von „I’m A Walrus“ angesiedelt. Zappa ist ein Großmeister der Irritation, der überdreht und überzeichnet bis zum Grotesken. In Köln stellte er das Publikum zeitweise auf eine harte Geduldsprobe. Nur Eingeweihte konnten die ineinander übergehenden Stücke aus der letzten Werkperiode noch enträtseln. Wesentlich inspirierter und gespickt mit einigen Zappa-Hits — „Disco Boy“, „The Torture Never Stops“ — ging’s dann in die zweite Stunde. Aufwand und Effekthascherei, Trockeneis und Bühnenstunts suchte man aber auch hier vergeblich. Das war Zappa pur. ein lässiger Entertainer, mehr Gentleman als Bürgerschreck.