Schlangenbeschwörung
Als die deutsche Independent-Hoffnung vor einem Jahr zur "Industrie" abwanderte, war das Lamento groß. Doch selbst wenn er auf seiner neuen LP vier Produzenten verschleißt - der Mann bleibt ein bunter Hund.
Zuerst hatten Phillip und Freundin Pia Bedenken, sich von ME/Sounds den Körper im Boa-Muster anmalen zu lassen. Als er dann aber die ersten Test-Polaroids des Münchner Körpermalers und Fotografen Fred Stichnoth sah, war er Feuer und Flamme: „In der Form ist das total cool, überhaupt nicht sexistisch. Halb Mensch, halb Schlange paßt ja voll zu unserem Label-Namen Constrictor. Die Idee werde ich im nächsten Video wieder aufgreifen“. Das einzige Problem, daß sich dem ehemaligen Independent Guru-Paar stellte, war die mühsame Entfernung der dick aufgetragenen Theaterfarben: „Das war hart, wir haben eine dreiviertel Stunde geschrubbt und das ganze Badezimmer versaut. “ Mehr Probleme werden da schon die Freunde leichtverdaulicher Popmusik mit Boas neuem Album HAIR haben: Phillip, der schon immer nicht gerade zimperlich mit Stil-Grenzen umgegangen ist, packt diesmal noch disparatere Musik-Richtungen vorwarnungslos hintereinander. „- Angst, mit diesen Mixed-Pickels die Hörer über Gebühr zu verunsichern, hat er nicht: „Ich möchte gerne alles zwischen Steckhausen und Motörhead machen. Und das in einer Form; die mehr als nur eine elitäre Minderheit anspricht. Beim ersten Anhören muß man die Platte natürlich schlecht Finden, weil man nichts damit anfangen kann. Später gibt es dann aber eine Menge zu entdecken.“ Entdeckt wurde Boas Musik diesmal auch von Alt-Produzent Tony-, Visconti (T. Rex, Bowie). Nachdem der Glamrock-Vater von zwei Jahren Boas Copperfield-Material abgelehnt hatte, fand er diesmal sofort Gefallen an den Songs. Auf die Frage, ob sich ein deutscher Underground-Rocker so einen teuren Produzenten leisten kann, lacht Phillip: “ Visconti ist mehrfacher Millionär. Der hat für uns fast umsonst gearbeitet, weil Geld ihn sowieso nicht mehr interessiert“ Außerdem arbeiteten in britischen Studios noch Nigel Walker, Jay Burnett und Motörhead-Soundmann Tony Tavener als Prodzuzenten mit, denn „so verschieden wie meine Stücke sind, sollten auch die Sounds klingen“. Klar, daß die Visconti/Boa-Single „Container Love“ nur wenig über die ganze LP aussagt: „Ich bete, daß die Single nicht über Platz 40 der Charts raufgeht, denn uns geht es wirklich nur um das Album und unsere Tournee im Man.“