Womad Festival


Womad – World Of Music, Art And Dance – hat gute Chancen, eine feste Einrichtung im Hamburger Pop-Sommer zu werden, denn das, was in diesen drei Tagen in Sachen Weltmusik über die ideal geeignete Freiluftbühne im Stadtpark ging, hatte in der Tat „Weltniveau“ (ganz ohne Ironie). Und daß dabei der Bogen von den archaischen Klängen der „Musicians Of the Nile“ aus Ägypten bis zu den Avangardisten Einstürzende Neubauten gespannt war, strapazierte das Konzept keineswegs über Gebühr. Die Neubauten als Weltmusiker – so sehen sie sich bestimmt auch selbst, und sie paßten überraschend gut in diesen Zirkel. Kein Weltmusik-Festival kann wohl je gänzlich repräsentativ sein – „Womad“ zumindest war in jeder Phase hochklassig, interessant und damit äußerst unterhaltsam. Die chinesischen Guo-Brothers, sehr bemüht um Verständnis und mit liebevoll radebrechendem Englisch echte Botschafter der verwirrend vielseitigen Volksmusik ihres Riesenlandes, setzten während ihrer Auftritte Höhepunkte des Festivals. Mit akustischem Schlagwerk, über tausend Jahre alten Blasinstrumenten und den glasklaren, kräftigen Sopranstimmen ihrer zwei exzellenten Sängerinnen brannten sie ein Feuerwerk an facettenreicher, mitreißender und unmittelbar zugänglicher Musik ab. Es gelang ihnen, mehr als nur exotischen Charme zu entfalten und mit einfachen, anschaulichen Sätzen ihre Musik nachvollziehbar und damit noch aufregender zu machen.

Afrika war nicht allein durch inzwischen auch bei uns gängige Sounds wie von Remmy Ongalas Band Super Matimila aus Tanzania vertreten, sondern auch mit den verwobenen, schwindlig machenden Songs des Sansibar Dance Ensemble. Mit drei Violinen, einem Roland D 50 (der allerdings wie ein Harmonium eingestellt war) und wiederum sehr markanten Stimmen entwickelten die Musiker aus Sansibar federleichte, schwirrende Klänge, die es auch ungeübter Hör-Phantasie nicht schwer machten, auf die Reise zu gehen. Super Diamono De Dakar gingen da schon weiter in Richtung Neuzeit, in Verbindung von moderner Elektronik und traditionellen Rhythmen. Eine ebenso gelungene Mixtur aus Folklore und neuen, zeitgenössischen Kompositionen boten die Inderin Najma Akhtar und ihre Gruppe. Eine Sängerin, die ebenso toll singt wie sie aussieht, und deren – ja, man muß es so nennen – Chansons alle Zutaten der indischen Volksmusik in sich vereinen: komplexe Melodien, vielschichtige Percussion und dazu ein hochkarätiger Jazz-Saxophonist, der mit großem Feingefühl die melodiösen Spannungen aufnahm und improvisatorisch ausdehnte.

Zwischendurch durfte jedoch auch mal ganz enthemmt losgetanzt werden: Arrow, eine mit Präzisions-Bläsern bestückte Band von der westindischen Insel Montserrat, mixte in ihrem Stil Calypso, Rock, Soul und CIub-MediterraneeFröhlichkeit. Der einsetzende Regen hatte absolut keine Chance, die wogende Schunkel-Atmosphäre zu beeinträchtigen. „Hot, Hot, Hot“ – da hielt es auch den schläfrigsten Späthippie nicht mehr auf der Wolldecke.

Während der Pausen bestand darüber hinaus die Möglichkeit, im Rahmen von Workshops mit den beteiligten Musikern zu reden, selbst Musik zu machen und sich verschiedene Sachen nochmal aus der Nähe anzusehen. Oder gleich ein Instrument selbst zu erwerben: Die Basar-erprobten älteren Herren der Musicians Of The Nile boten gleich ein ganzes Arsenal feil. Es gab noch viel mehr zu sehen und zu hören – die Sufi Musiker Sabri Brothers aus Pakistan oder Mohammed Mounir, der Pop und arabische Musik verbindet – nach drei Tagen summte einem der Kopf von allen Eindrücken – aber, und da waren sich die zahlreichen Besucher einig: Bei Festivals dieses exotischen, um nicht zu sagen weltumspannenden Zuschnitts, mit so geringen Umbauphasen, so gutem Rahmenangebot und so hervorragenden Musikern läßt man sich allemal gerne „schaffen“.