Hollywood goes to Vietnam
Amerika schickte seine Söhne in den Krieg und erwartete, daß sie als Männer wiederkamen. 2O Jahre später schickt Hollywood seine Jung-Stars in Vietnam-Filme und hofft, daß vielleicht doch noch gestandene Schauspieler aus ihnen werden. In beiden Fällen ist es ein fast aussichtsloser Kampf.
Grimmig schaut Michael J. Fox in die Runde und holt tief Luft. Er setzt an zu einem markigen Satz, mit dem er ein für allemal seine Meinung sagen wird. Plötzlich hält er inne. Er rudert mit dem Arm durch die Luft und wirft seinen Kopf zur Seite: Er hat sich eines Besseren besonnen. Dann kommt so etwas wie: „Hey, laß uns doch eine Pepsi trinken gehen.“
Michael J. Fox, der Bubi aus „Zurück in die Zukunft“, der Yuppie aus „Das Geheimnis meines Erfolges“, ist ein Meister im Entschärfen. Den koksschnupfenden Möchtegern-Schriftsteller im New Yorker Szene-Sumpf von „Bright Lights, Big City“ spielte er wie einen schüchternen College-Bücherwurm, der sich in die Disco verirrt. Den animalischen „Teen Wolf“ machte er zum Bastard aus „Lassie“, „Flipper“ und deren sommersprossigen Freunde.
Eben dieser zartbesaitete Michael J. Fox greift in seinem neuesten Film voller Wut nach einem Spaten, holt rücksichtslos aus und brät einem wehrlosen Mann eins über den Schädel. Eine Szene aus dem Vietnamkrieg. Der Spatenhieb ist eine Reaktion auf Unrecht, das zuvor geschah. Zugleich ist es der Befreiungsschlag des Michael J. Fox gegen seine Vergangenheit als netter Junge von nebenan.
Regisseur Brian De Palma verfilmte mit „Die Verdammten des Krieges“ (Start: 1. 2. 1990) eine wahre Geschichte: Ein Trupp junger GIs entführt eine Vietnamesin. Der Reihe nach vergewaltigen die Männer das Mädchen. Als sie fürchten, das Opfer könne sie verraten, ermorden sie es. Ein Mann (Fox) macht nicht mit und bringt die Kameraden vor Gericht.
De Palma inszenierte ohne Rücksichten auf nationale Empfindsamkeiten: Die Bösen sind die Amerikaner, nichts wird entschuldigt. Entsprechend kontrovers wurde der Film in den USA aufgenommen. Anders als bei früheren Vietnam-Filmen, setzte De Palma seine Hauptrollen mit Darstellern, von denen keiner wesentlich älter als 20 wirkt. Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die mit Charlie Sheen in „Platoon“ und mit Matthew Modine in „Full Metal Jacket“ begann: Teen-Stars, die ihre dramatischsten Augenblicke vielleicht als Nachsitzer im „Breakfast Club“ verbrachten, bekommen eine Aufgabe, an der sie wachsen sollen. Das sogenannte „Brat-Pack“, jene renitente Clique von Hollywood-Schnöseln, wird – im Film jedenfalls – auf Vordermann gebracht.
Sean Penn durfte schon in „Colors“, dem kontroversen Film über Banden-Kriege in Los Angeles, den bösen Mann raushängen lassen. Als wüster Anführer des Trupps in „Die Verdammten des Krieges“ ist er noch um einige Handkanten brutaler. Selbst im sicheren Kinosessel überfällt den Zuschauer eine unappetitliche Gänsehaut.
Tom Cruise konnte sich, im Schatten von Dustin Hoftmans Parade-Rolle, in „Rain Man“ hauptsächlich durch unverschämtes Grinsen profilieren. In „Born On The Fourth Of July“ (Start: 1. 3.90) vergeht ihm das Lachen: Als Patriot kommt er nach Vietnam, als querschnittsgelähmter Kriegsgegner kehrt er zurück.
Robert Downey jr. füllte das Hemd des smarten Jung-Anwalts in „Das dreckige Spiel“ nicht so recht aus. In der Action-Komödie „Air America“ spielt er einen Piloten, der an der Seite von Mel Gibson im Auftrag des CIA nach Saigon fliegt. Und Emily Lloyd schließlich schlägt sich in „In Country“ mit Bruce Willis und dessen Vietnam-Problemen herum.
Ein rundes Dutzend weiterer Filme über das amerikanische Trauma ist in Vorbereitung, darunter A-, Bund C-Produktionen – genug, daß es bald keinen halbwegs populären US-Jungschauspieler geben dürfte, der nicht in die Uniform schlüpfen muß.
Kein Wunder auch, daß an dem jüngsten Vietnam-Boom selbst alte Kriegstreiber partizipieren wollen: Der amerikanische (Video-)Markt wird zur Zeit von einer wahren Flut von Kriegsfilmen überschwemmt, die – anders als die selbstkritischeren neuen Produktionen – den Zuschauer nie im Zweifel lassen, wer die Guten und wer die Bösen sind. Aber auch mit „Apocalypse Now“, dem Vorläufer der Vietnam-Filme, haben die neuen Kriegsabenteuer aus Hollywood wenig gemein: War Coppolas Dschungel-Epos eine fiktive und stilisierte Plattform für Brandos Schauspiel-Exzesse, so sind die neuen Streifen exzessiv realistisch.
Daß aber die harten Männer von Schauspielern dargestellt werden, die man bislang eher als Milchbärte kannte, ist dann doch gewöhnungsbedürftig. Michael J. Fox, der mit 28 Jahren noch immer problemlos als 18jähriger durchgeht, braucht allerdings eine gravierende Image-Korrektur nicht zu befürchten. Der 21. Dezember beschert uns wieder den netten Jungen von nebenan in der Fortsetzung von „Zurück in die Zukunft“. Und damit er zwischenzeitlich nicht zu alt wird, hat man Teil 3 gleich mitgedreht.