Als Anzüge noch provozierten: DJ Hell über Techno und Mode
Mod, Dandy, Raver: DJ Hell, der Andy Warhol der elektronischen Musik in Deutschland, meldet sich nach acht Jahren mit seinem Album „Zukunftsmusik“ zurück und erklärt uns, warum man mit Designer-Anzügen früher noch schockieren konnte.
Wie haben sich die Kleidungscodes der Techno-Szene in den Jahren verändert?
Ich war in den 80er-Jahren noch als Mod mit grüner Bomberjacke und Glatze unterwegs, oder später auch mit gefärbten Haaren, wie es zur Zeit der New Romantics in Mode kam. In der Techno- und Rave-Szene waren anfangs ganz klar Military-Outfits angesagt, deutsche und amerikanische. Später kamen dann Workwear-Kleidung dazu. Plötzlich war Carhartt tragbar, wir hatten Red-Wings-Schuhe an, oder auch immer wieder Sportswear – alt und neu – Sneakers natürlich. Second-Hand-Outfits waren immer dabei und Tarnkleidung für den „Kampf in der Stadt“.
„Das war damals wirklich die größtmögliche Provokation, mit einem Designeranzug und Krawatte in einen Club als DJ zu performen.“
Mit deinem Musikabel Gigolo bist Du später dann aber in eine komplett andere Richtung gegangen.
Um 1996 oder 1997 habe ich mit Gigolo versucht, das Anti-Fashion-Dogma der Szene aufzubrechen. Alles wurde viel dandyhafter. Das war damals wirklich die größtmögliche Provokation, mit einem Designeranzug und Krawatte in einem Club als DJ zu performen. Das war ein Schock für viele, und wirkte fast wie eine Revolution in der Szene, aber diesen Tabubruch habe ich natürlich auch bewusst ausgelebt.
Was war der Moment, in dem Mode für dich eine neue Bedeutung bekam?
Für mich waren Mode, Musik und Kunst immer untrennbar; das war ja auch bei Künstlern wie David Bowie oder Andy Warhol selbstverständlich. Es war mir immer suspekt, warum alles so streng reglementiert war, was man anziehen durfte und was nicht. Geschweige denn, mit Modelabels zusammenzuarbeiten oder auf einer Modenschau zu spielen. Mein absoluter Lieblingsdesigner war Martin Margiela. Die aktuellen Balenciaga-Kollektionen wären ohne Margiela nicht denkbar. Später kam mein Standard-DJ-Outfit dann von Rick Owens.
Wie sieht dein Stil heute aus?
Heute versuche ich mit den Designern, die ich schätze, eigene Bühnenkleidung zu entwerfen, da ich DJ-Auftritte auch als Performance definiere und ich genaue Vorstellungen habe, wie meine Outfits aussehen sollten. Julius aus Japan und Boris Saberi aus Barcelona favorisiere ich privat und auf Reisen im Moment.
DJ Hells neues Album „Zukunftsmusik“ ist am 28.April erschienen. Hier geht es zur Rezension.