Gewaltorgien: Metzgern auf dem Mars


Mehr Dollars, mehr Blut, mehr Leichen: Hollywoods Sommerfilme suhlen sich in Gewaltorgien, wie sie bislang nur in sogenannten Splatter-Movies zu sehen waren.

Ein Mann wird verfolgt. Arnold Schwarzenegger wetzt um die Ecken einer grauen, kahlen Großstadt des Jahres 2084. Auf seinen Fersen: ein Dutzend schwerbewaffneter Männer. Als sich Arnold auf eine vollbesetzte Rolltreppe zwängt, ballern die Verfolger in die Menge. Recht und links spritzt Blut. Arnold greift sich den Nebenmann und halt ihn vor sich wie ein Schutzschild. Hinter dem Körper hervor ballert Arnold zurück. Erst mäht er die Gegner um, die von oben kommen. Dann dicht er sieh um 180 Grad, den schützenden Fremd-Körper dreht er mit, und mäht alle um, die von unten folgen. Die feindlichen Salven bekommt der menschliche Schutzschild ab. Der Mann ist blutüberströmt, dunkelrot, der Brustkorb aufgerissen. Der Mann ist Matsch. Als Arnold am Ende der Rolltreppe ankommt, wirft er den Körper weg. wie ein feuchtes Handtuch. Dann tritt noch jemand drauf. In Großaufnahme. Arnold ist übrigens der Gute.

Eine von vielen Gewalt-Szenen aus „Total Recall“, der ab 26. 7. auch bei uns zu besichtigen ist. „Totale Erinnerung“, so der deutsche Titel, ging bereits vor seinem US-Start in die Kinogeschichte ein – wenn auch ob eher zweifelhafter Qualitäten. Mit 60 Millionen Dollar Budget (davon 10 Mio S für Arnold) wurde er der teuerste Film, de je gedreht wurde. Mit Sicherheit ist es auch der brutalste Film, der in Amerika dem X-Rating entging und noch dazu einen Kassen-Superstar aufbieten kann. Regisseur Paul Verhoeven übertraf damit seinen „Robocop“ um Längen. Und Schwarzenegger, der einen Steinbruch-Malocher spielt, der auf den Mars reist, um in der dortigen Kolonie nach seinem früheren Leben zu fahnden, genoß jede Minute der Metzgerarbeit. Soviel Blut wurde auf dem Set verspritzt, daß sich die Leute hinter der Kamera mit Plastikmüllsäcken schützten.

Arnold ist nicht allein. Seine Gewaltorgie eröffnete eine Staffel von großen, teuren Produktionen, die das Action-Genre in neue Extreme treiben. In „Robocop II“ (Deutschland: 13.9.) sterben Hunderte unter Hunderttausenden von MP-Salvcn. hiner der Bösewichte, die über Leichen gehen, ist ein fluchender 12jähriger (Gabriel Dämon). „Stirb langsam II“ (25.10.) sowie „Und wieder 48 Stunden“ (18. 10.) gehören ebenso zur neuen Bnitalo-Riege wie die mit Kunst-Anspruch veredelten „Wilden Herzen“ (20.9.) von David Lynch und „Nikita“ von Luc Besson.

Wird die Frage nach dem Warum gestellt, berufen sich die neuen Gewalt-Macher gern auf Comics und Graphic Novels: Schließlich sei ja alles nicht real. Es gibt noch eine andere Erklärung. In „Total Recall“ oder „Robocop II“ geht es nicht um wirkliche Geschichten. Wer Arnolds Blutspur verfolgt hat, der erzählt hinterher nicht über die konfuse Story. Die Gewalt ist die Nachricht! Offenbar befinden wir uns wieder in einer der Phasen, in der die Tabu-Grenzen bei Sex und Gewalt in Kino und Fernsehen neu ausgereizt werden. Und da Sex nicht nur im Kino auf dem Rückzug ist, geht’s nur noch mit Gewalt.