Cheap Trick: Riff Rentner


Seit nunmehr 16 Jahren spielen sie immer die gleichen Riffs. Und dennoch erleben die notorischen Wiederholungstäter derzeit ihren zweiten Frühling. ME/Sounds-Mitarbeiter Steve Lake sprach in New York mit den rüstigen Rock 'n' Roll-Rentnern.

leich auf ihrer ersten Tour durch deutsche Lande, als musikalischer Flankenschutz für die Pomp-Rock-Saurier Kansas, stolperten Cheap Trick über die Reaktionen eines Publikums, das in erster Linie erschienen war, um den Headliner und nicht die Vorgruppe zu sehen. Speziell das cartoonhafte Auftreten von Gitarrist Rick Nielsen (im Foto links) stieß einigen so sauer auf. daß sie die Band mit Flaschen bombardierten. „Und weißt du was?“, amüsiert sich Sänger Robin Zander (2.v.r.): „Mir hat das gefallen. Ich kam mir vor wie ein Baseball-Spieler, den das ganze Stadion am liebsten auf den Mond schießen würde. In einer solchen Situation denkst du nur noch: ‚Okay, ihr Finten, ich zeig ’s euch‘.“

So spricht ein Überlebender. Der einstige Stern von Kansas ist längst verblaßt, statt dessen haben sich Cheap Trick zu einer respektierten Rock-Institution gemausert – und vor allem zu einer festen Live-Größe. Seit 1974 auf der Szene, bringen sie immer noch rund 250 Konzerte pro Jahr auf die Bretter. „Auftritte sind unser Brot, davon leben wir“, meint Nielsen. „Wir müssen fünf Abende pro Woche spielen, um aus den Miesen zu kommen. „

Bis anno 1978 hatte das Quartett aus Illinois, komplettiert durch Drummer Bun E. Carlos und Bassist Tom Petersson, einzig im Mittleren Westen Amerikas Fuß gefaßt. Doch dann, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, feierten die Japaner sie in höchsten Tönen. Robin: „Wir haben uns angesichts der Hysterie fast in die Hosen gemacht. Man konnte ja nicht unbehelligt in ein Restaurant gehen oder bloß einen Blick aus dem Hotelzimmer weifen, schon rotteten sich die Leute zusammen.“

Inzwischen liegt BUSTED, das 13. Album, hinter ihnen – ein für sie typisch unkompliziertes Werk mit einem klassischen Song namens „Walk Away“, den Chrissie Hynde für „den besten, der mir in den letzten zehn Jahren zu Ohren gekommen ist“ hält. Madame Hynde, langjähriger Fan der Band, war gerade mit dem Mix des neuen Pretenders-Albums in LA beschäftigt, als sie dort mitten in den Aufnahmen zur neuen Cheap Trick-LP hereinschneite und fragte, ob sie den ersten Trick-Hit „I Want You To Want Me“ kupfern könne. „Tolle Idee, und wo du gerade da bist, wie war’s, wenn du auf einem unserer neuen Songs singst?“ Mag sein, daß ihnen diese Unkonventionalität soviele Freunde unter den Kollegen beschert hat. Einer der ersten war John Lennon. der Rick gestand, daß er seine Power-Akkorde dem raffinierten Spiel von Clapton auf „Cold Turkey“ vorgezogen hätte. Pete Townshend klopfte bei Rick an, um sich Tips für Gitarren-Sounds zu holen – und Michael Jackson ließ gar fragen, ob sie nicht in seinem nächsten Filmprojekt auftreten wollen: Der Herrscher über die Verlagsrechte der Beatles arbeitet zur Zeit an einem abendfüllenden Zeichentrickfilm mit Cover-Versionen der Beatles: Cheap Trick sollen „Magical Mystery Tour“ spielen.

„Willst du’s mal hören?“, fragt Rick. „Ich habe das Tape nebenan.“ Und schon hüpft er davon und ist nach 30 Sekunden mit einem riesigen Ghetto-Blaster zurück. Ihre Version fällt härter, gleichzeitig aber auch psychedelischer aus als das Original. Die Streicher wurden durch Gitarren-Riffs ersetzt, und Robin Zander zieht sämtliche Register seiner Kastraten-Stimme. „Heute singt er besser denn je“, erklärt Rick – und fügt im Flüsterton hinzu: „Das kommt davon, daß er sorgfältig auf seine Gesundheit achtel und nicht zuviel raucht.“

Robin zündet sich gerade die sechste Zigarette in 30 Minuten an, öffnet die nächste Bierflasche und grinst. Rick wird derweil philosophisch: „Soll ich dir mal verraten, warum der Rock ’n‘ Roll partout nicht totzukriegen ist? Du mußt einfach den Kopf ausschalten.“