Joe Jackson


Er gilt als schwierig. Und obwohl seine neue Platte Lachen und Lust verspricht, blieb Joe Jackson auch im Gespräch mit ME/Sounds-Redakteur Manfred Gillig ziemlich ernst und lustlos.

er hat den ungesund bleichen Teint eines Champignons. Er sieht aus, als habe er seit Wochen kein Tageslicht mehr erblickt. Er wirkt müde. Er zieht die Schultern nach vorne, als wolle er seine schmächtige Gestalt vor unerwarteten Schicksalsschlägen schützen. „Hi“ sagt er zur Begrüßung. Mehr nicht. Und dabei zeigt sein Gesicht nicht den geringsten Anflug eines Lächelns. Dann herrscht erst einmal unbequemes Schweigen. Er wartet auf die erste Frage. Und nur die hellwachen Augen verraten, daß Joe Jackson trotz seiner laschen Erscheinung das Geschehen aufmerksam verfolgt.

Nein, er ist kein leichter Gesprächspartner. Er hat keine Anekdötchen parat, er versteht es nicht, auf die diplomatische Art unverfängliche Konversation zu treiben. „Ich bin kein schwieriger Typ“, betont er dennoch. „Aber was soll ich schon von mir erzählen ? Das Interessanteste, was ich zu bieten habe, ist meine Musik. Und die muß jeder selbst hören. “ Und schon verstummt er wieder — so als sei er darüber erschrocken, wieviel er mit dieser Antwort, die doch tatsächlich aus mehr als einem knappen Satz bestand, über sich preisgegeben hat. Ein paar Worte über das neue Album wären trotzdem nicht fehl am Platze. Das findet auch der wortkarge Joe und meint: „Wie der Titel schon sagt, ist es eine litstvolle und lustige Platte. Und es ist meine persönlichste.“

Das formuliert er so ernst und stockend, daß man es ihm kaum glauben mag. Doch die Songs auf LAUGHTER & LUST machen dem Titel tatsächlich alle Ehre: Da erweist sich Jackson als Songwriter, der es versteht, intensive Leidenschaft ebenso in kluge Worte und Noten zu fassen wie hinterhältige Ironie und beißenden Sarkasmus. Ist er denn wirklich ein humorvoller Typ? „Humor und Ironie sind meine Stärken. Nur kriegen das viele Leute gar nicht mit. Vor allem in Deutschland nimmt man mich immer viel zu ernst.“ Abruptes Schweigen. Joe bleibt ernst. Aber auf dem Cover von LAUGHTER & LUST spielt er den Clown. Einen traurigen Clown. Es ist die klassische Rolle des Entertainers: Er unterhält die Leute und bringt sie zum Lachen, doch hinter der grinsenden Maske lauert tiefe Traurigkeit. Man möchte sein Freund sein.

Joe Jackson bittet um Verständnis: „Ich weiß, daß ich den Ruf habe, ein schlechter Gesprächspartner zu sein. Dabei tue ich doch mein Bestes. Aber man kann nicht bei jeder Gelegenheit locker und gut drauf sein.“ Und wie fühlt er sich jetzt? „Nicht sehr gut, lasch. Diese Promotion-Termine sind anstrengend. Ich würde viel lieber den Spieß umdrehen, und meinen Interviewern Fragen stellen.“

Das wäre ja noch schöner. Fragen wir lieber, ob er sich arrogant findet.

.Nein. Wer mich für arrogant hält, der kennt mich nicht.“ Ist er konservativ? „Ganz und gar nicht. Hör dir doch meine Platten an.“ Selbstkritisch? „Sehr.“ Verletzlich? „Ganz ohne Zweifel.“ Sensibel? „Und wie. „Dieses Spiel scheint ihm zu gefallen. Wie aus der Pistole geschossen, kommen jetzt die Antworten, kurz und knapp. Oder hat er einfach genug und wiJJ’s schnell hinter sich bringen? Auch das wäre möglich. Bist du schüchtern, Joe Jackson? “ Oh ja, “ sagt er mit traurigem Blick. „Ich fiihle mich immer unwohl, wenn mich jemand anspricht. Vor allem in New York:

Da weiß ich dann nie, wie ich reagieren soll.“

Möchtest du nicht wieder nach England zurück? „Ich fühle mich nie und nirgends richtig zuhause. Ich bin ein Außenseiter, und für Außenseiter ist New York gerade richtig.“ Er seufzt: „In England habe ich noch Verwandte. Manchmal sehne ich mich nach einem ruhigen Platz auf dem Land, wo ich mich zuhause fühlen kann. Aber lange würde ich es dort sicher nicht aushalten. Denn ich brauche auch die Großstadt-Atmosphäre. “ Erschrocken schweigt er wieder. Jetzt hätte er doch fast zu viel rausgelassen. Zum Abschied fragt er nach dem Eindruck, den er hinterlassen hat. Schüchtern, Joe. Da lacht ‚ er. Er kann’s also doch.