Columbus entdeckt die Leinwand


Amerika feiert 500 Jahre eigene Geschichte, die Filmindustrie will dabei nicht nur Zaungast sein. Columbus ist der Kinostar des Jahres und das gleich in zweifacher Ausfertigung.

Das Rennen läuft! Seit Monaten werkeln zwei hochkarätige Filmcrews an ein und demselben Stoff: Columbus! Die Story vom Pfadfinder der See bürgt natürlich für Kinomythen und Kultstatus. Nur — kann sich Hollywood gleich zwei teure Verfilmungen leisten? Die Antwort ist eine Frage der Zeit: „Cristoph Columbus — Der Entdecker“ von John Glen wird am 13. August in die deutschen Kinos kommen, „1492“ von Ridley Scott folgt am 15. Oktober.

Begonnen hatte die ganze Malaise mit einem Bund der starken Männer: Die „Superman“-Produzenten Alexander und Ilya Salkind einigten sich mit Ridley Scott („Blade Runner. „Thelma & Louise“) über eine Zusammenarbeit am Projekt „Columbus“. Doch schon nach einigen Treffen wurde Ridley Scott wohl klar, daß er und die mächtigen Salkind-Brüder nicht die gleiche Film-Sprache sprechen. Er stieg aus dem Projekt aus. tauchte allerdings binnen Monatsfrist mit einem neuen Geldgeber wieder auf: Für das Hollywood-Studio Paramount wollte Scott nun seine „Columbus“-Version mit dem Produzenten Alain Goldman verwirklichen. Reaktion der Herren Salkind: Ab vor den Kadi. Ridley Scott, so die Argumentation der filmenden Brüder, habe den Stoff von „Columbus“ schlichterdings gestohlen. Wie erwartet erwies sich das Zetergeschrei der Salkinds bald als heiße Luft. Doch in einer wichtigen Frage mußte Ridley Scott schließlich klein beigeben: Sein Film darf den Namen des historischen Pioniers nicht im Titel führen und firmiert nun unter dem einprägsamen Nummern-Kürzel „1492“.

Mit zwei großen Columbus-Verfilmungen am Start kochten natürlich die Gerüchte hoch. Wer wird Hauptdarsteller, wer führt Regie, wieviel kostet der ganze Spaß, wer wird scheitern und warum? Kaum ein Filmprojekt der letzten Monate wirbelte soviel Staub auf. bevor überhaupt die erste Klappe gefallen war. Erste Pleite im Lager der Salkinds: Scott-Ersatzmann Georges Pan Cosmatos („Rambo“) trat seinen Job erst gar nicht an: „Künstlerische Differenzen“… Mit der Wahl von John Glen wurden Mißverständnisse zwar offenbar ausgeräumt, die Mitgift des James Bond-Regisseurs aber ging ebenfalls nach ein paar Tagen über Bord. John Glen nämlich hatte seinen Freund und Bond-Protagonisten Timothy Dalton in die Diskussion gebracht. Der sprang jedoch im letzten Augenblick wieder ab. Grund: Er vermisse die versprochenen Stars an seiner Seite. In den folgenden Wochen kam nun fast jede Hollywood-Größe als „Columbus“ ins Gerede: Willem Dafoe, Tom Seileck, Timothy Hutton … Hätten die Salkinds nicht bald mit Georges Corraface „ihren“ Titelheld bekannt gegeben, vermutlich wäre auch noch mit Sylvester Stallone oder Arnold Schwarzenegger spekuliert worden. Timothy Dalton dürfte sich inzwischen ärgern, die publicityträchtige Rolle zurückgewiesen zu haben. Die von ihm geforderten Stars jedenfalls sind nun doch noch verpflichtet worden. Marion Brando ¿

kassiert beispielsweise für 18 Drehtage bescheidene 5 Millionen Mark … Er spielt den Großinquisitor Tomas de Torquimada. Außerdem im Cast sind Rachel Ward und Tom Seileck.

War das Salkind-Projekt vom ersten Tag an mit Skandalmeldungen präsent, so hörte man von Ridley Scott und seinem „Columbus“-Film „1492“ vergleichsweise wenig. AJtmeister Scott präsentierte seinen „Columbus“ schon früh und rückte keinen Deut von dieser Wahl ab: Gerard Depardieu, der französische Bär, stand für den Job und wankte nie.

Inzwischen sind beide Filme abgedreht und harren ihrer Erstaufführungen anläßlich der amerikanischen „Geburtstagsfeierlichkeiten“ im Spätsommer. Alexander und Ilya Salkind spekulieren dabei vor allem auf den Abenteuertouch, den ihr Film haben soll. Mit prallvollen bunten Bildern gehen die ,.Superman u -Macher auf Kundenfang. Bei den ersten rund 40minütigen Ausschnitten allerdings, die in Cannes vorgeführt wurden, war von der angekündigten Faszination und Magie des „Christopher Columbus“ noch wenig zu sehen. Doch auch das nicht minder aufwendige Spektakel von Ridley Scott konnte in einem fünfminütigen Auftritt in Cannes — noch nicht die immensen Erwartungen befriedigen, die durch das Wettrennen der letzten Monate hochgekocht wurden. Im Gegensatz zum Glen-Film will sich Ridley Scott ohnehin fernhalten von Seefahrer-Romantik ä la Errol Flynn: Er setzt auf einen biographisch angelegten Film, der nicht bloß die Entdeckerreise von Christoph Columbus thematisiert. Scherz am Rande: Die Ausschnitte der Filme wurden mit der gleichen Musik unterlegt, da die endgültig Musikmischung noch nicht abgeschlossen ist. In seltener Einigkeit dudelten die Klänge von Enigma gleich zu beiden Filmen im Hintergrund.

Und noch ein Witz aus Cannes. Ein plötzlich annonciertes drittes Columbus-Projekt sorgte an der Croisette für Heiterkeit: „Carry on Columbus“ heißt die Seefahrer-Satire, die der englische Regie-Altmeister Gerald Thomas drehen wird. Er hatte in den sechziger Jahren mit der komödiantisch-dümmlichen „Ist ja irre …“-Serie mäßigen Erfolg. Für seine Columbus-Komödie hat er angeblich Mitglieder seiner alten Crew verpflichtet. Ob dieses Projekt aber ein ernsthafter Konkurrent um Zuschauer und Zaster werden wird, darf tunlichst bezweifelt werden. Ridley Scott und die Salkind-Brüder jedenfalls sind davon überzeugt, daß am Schluß nur ihr eigener Film die Nase vorn haben wird. Das Rennen läuft!