Ein Hit macht noch keine Live-Show: Die 4 Non Blondes suchen ein Leben jenseits der Charts
STOCKHOLM. Ein Hit macht bekanntlich noch keine Live-Show. Nach dem Auftakt ihrer Europatournee in Stockholm muß diese Binsenweisheit allen potentiellen Konzertbesucher ins Portemonnaie geschrieben werden. Man sollte sich lieber entspannt zurücklehnen und nochmals ihren bislang einzigen Hit genießen, auch wenn das süffige „What’s Up?“ mittlerweile dermaßen abgenudelt ist, daß es schon leichtes Sodbrennen auslöst.
Aber gibt es denn nicht noch einen anderen Grund, die 4 Non Blondes live sehen zu wollen? Gibt es auf ihrem sensationell erfolgreichen Debütalbum nicht ähnlich gelungene Pop-Perlen, die das Versprechen von „What’s Up“ einlösen können? Die Antwort ist kurz und schmerzlos: Nein — zumindest ließ die Show nichts davon erahnen.
Als der Hit (natürlich) am Ende des Stockholmer Konzerts endlich erklingt, kann nicht mal mehr er noch für Begeisterung sorgen. Anfangs noch verunsichert von dem breiigen Lärmgewitter, das von der ersten Minute an von der Bühne dröhnt, rutschen die gut 2000 Zuschauer schon bald nervös und unzufrieden auf ihren Sitzen herum. Nach 40 Minuten konzeptionsloser harter Klänge ist die unzweifelhafte Vorfreude, mit der man die Band erwartet und begrüßt hat, endgültig auf den Nullpunkt gesunken. Da kann auch kein „What’s Up?“ mehr den Abend davor retten, als komplettes Desaster zu enden.
Er hatte ohnehin mit einem Wink des Schicksals begonnen: Schon beim ersten Akkord reißt eine Saite von Linda Perrys rot-weiß-blauer Akustikgitarre. Der Begrüßungsjubel verstummt abrupt, beim zweiten Versuch will der anfängliche Funke im Publikum schon nicht mehr überspringen. Die Feuerzeuge flackern nur spärlich, einige beinharte Fans stimmen mit dem Mute der Verzweiflung in die Refrains mit ein, doch die Masse der Gesichter bleibt stumpf und gelangweilt.
Der Sound in der Halle ist matschig und konturenlos, die Light-Show so uninspiriert wie die Musik: rot und blau, immer schön abwechselnd. Mit dem letzten Akkord des ersehnten „What’s Up“ verläßt mindestens ein Viertel der Zuschauer die Halle — schweigend.
Sie alle haben nicht mehr viel versäumt. Zur Zugabe meldet sich die Band tatsächlich mit einem waschechten Schlagzeugsolo (!) zurück. Wahnsinn! Darauf hatte die Welt und der geduldige Rest des Publikums sicher gewartet. Aber was kann man schon von einer Band erwarten, die ihren ganzen Ruhm auf gerade mal einen Song gründet.
Noch nicht einmal ein optisches Vergnügen. Linda Perry rühmt in den Interviews die explosive Liveintensität ihrer Band, doch die 4 Non Blondes müssen in Stockholm den Brennstoff offensichtlich vergessen haben. Nur Linda selbst bewegt sich ein wenig auf dem Bühnen-Areal, ihre Kollegen hingegen scheinen auf dem Fußboden geradezu angeleimt.
Gab es von diesem Abend also rein gar nichts Positives zu vermelden? Doch, nach nur sechs Minuten auf der Bühne nimmt Linda tatsächlich ihren grauenhaften Hut ab! Und ihre Ansagen zwischen den Liedern sind witzig und natürlich, gelassen und intelligent. Irgendwann könnte ja tatsächlich mal was aus ihr werden.
Doch diesen Winter sehen die 4 Non Blondes zunächst einmal einer harten Prüfung entgegen. Wenn sie nämlich weiter versuchen, die hohen Erwartungen auf der Bühne einlösen zu wollen. Denn dazu fehlt ihnen das entscheidende Rüstzeug: Es gibt einen triftigen Grund, warum es sich nicht lohnt, weitere Songs aus ihrem Repertoire zu erwähnen — sie haben schlichtweg keine.