Yousson N’Dour
Der Senegal scheint allmählich ein zweites Jamaika zu werden: Beseelt von einer reichen Musiktradition, dabei gewillt, den Kontakt mit ‚fremden‘ Musikkulturen zu suchen, und stark genug, an diese nicht die eigene Seele zu verkaufen. Nach fünfzehn langen Jahren ist Youssou N’Dour mit dem Mega-Hit ‚Seven Seconds‘ nun bekanntlich ein Riesenschritt in die europäischen Charts gelungen. Die aktuelle CD ‚The Guide‘ allerdings weist die bedauerliche Tendenz auf, die überschwengliche Verspieltheit früherer Produktionen an die Leine einer allzu glatten Funk-Rock-Produktion zu legen. Wie schwer ein Crossover dieses Kalibers im Rahmen eines Konzerts hat, zeigte sich vor ein paar Wochen bei Woodstock ’94: Da kamen nämlich genau die Sachen am besten an, die der amerikanischen Musik am nächsten stehen. In London ist wiederum alles ganz anders und N’Dour weiß das auch zu schätzen. Fast ebensoviele Afrikaner und Jamaikaner wie Weiße sind heute zugegen, eine Seltenheit selbst in diesem Schmelztiegel der Rassen: Zumeist ziehen sogenannte Afro-Gigs entweder hauptsächlich Weiße oder überwiegend Schwarze an. Doch hier macht es die Mischung. Das versammelte Haus steht gleich vom ersten Ton an voll hinter der ‚Big‘-Band, die mit zwei Gitarren, Bass, zwei Perkussionisten, Drums, Trompete, Sax und zwei Backing-Sängerinnen aufwartet. N’Dour besticht durch Subtilität, Rhythmik, Dramatik und Gesangsartistik. Der erste Höhepunkt ist erreicht, als die gesamte Band, in weiße Kutten gekleidet, die musikalischen Traditionen ihrer Heimat pflegt und die E-Gitarren die Parts übernehmen, die sonst eigentlich den Koras zustehen. Zum Repertoire gehören neben älteren Songs auch einige neue von ‚The Guide‘. Das heißgeliebte ‚Seven Seconds‘ gibt’s erst als Zugabe, wobei Neneh Cherrys Beitrag auf der Hitsingle von einer Backing-Sängerin mehr als adäquat übernommen wird. Das Konzert endet mit einer erhebenden Fassung von Bob Dylan’s ‚Chimes Of Freedom‘, die Youssou N’Dour, von fünf Trommlern unterstützt, bald schon als nächste Single nachschiebt, wie man hört. Nicht zu überhören ist auch der frenetische Beifall, der ihm entgegenbrandet und wohl nur so gedeutet werden darf, daß er bei allen Konzessionen an die Musik und den Geschmack des Westens nicht ein Jota seiner Ausstrahlung und vor allem Authentizität verloren hat.