Queensryche: Vom einfachen Leben


Ein Jahr lang machten die Seattle-Metaller Pause, bevor sie mit 'Promised Land' einen neuen Megahit landeten. ME/Sounds Autorin Christiane Rebmann fragte warum und holte sich dabei einen verdorbenen Magen.

Ein Konzeptalbum über mexikanisches Essen? Sowas bringt man nur fertig, wenn man Queensryche heißt. Aber weil Queensryche als die intellektuellste unter den Metalbands gilt, hat Sänger Geoff Tate natürlich erstmal eine philosophische Antwort auf die Frage nach dem Titel parat: „‚Promised Land‘ ist eine Metapher für Erfolg. Die amerikanische Kultur basiert auf magischem Konsumzwang. Je mehr Erfolg du hast, je mehr du besitzt, umso glücklicher mußt du sein. Diesen Terror kannst du nur bekämpfen, indem du herausfindest, was dich glücklich macht.“

Geoff Tate hat, so sagt er, herausgefunden, daß ihn die einfachen Dinge im Leben glücklich machen. Eine Philosophie, mit der kürzlich erst Joe Cocker in die Charts kam. Das Quintett aus Seattle hatte genügend Zeit für diese Nabelschau. Nach der letzten CD ‚Empire‘ vor vier Jahren und der 92er Tournee leisteten sich die Fünf ein Päusschen von einem Jahr, bevor sie für ‚Promised Land‘ mit dem Co-Produzenten James „Jimbo“ Barton ins Studio gingen.

„Wir waren ausgebrannt“, sagt Geoff. „Ich hatte mein ganzes Leben lang nur ein Ziel verfolgt: Erfolg mit meiner Band. Dafür hatte ich alles andere in meinem Leben zurückgestellt. Als ich endlich das Ziel erreicht hatte, dachte ich: Jetzt müßtest du eigentlich der glücklichste Mensch auf diesem Planeten sein. War ich aber nicht. Statt desssen bedrängten mich all die aufgeschobenen Probleme.“

Erfahrungen, die sich auf ‚Promised Land‘ wiederfinden. Von der zerstörerischen Vater-Sohn-Beziehung in ‚The Bridge‘, zu der Geoff erklärt: „Bei uns allen ist der Input durch die schädigende Erziehung verändert worden. Jetzt müssen wir sehen, wie wir damit klar kommen.“ – bis zu Scotts Geburtszeit im Song über den Lebenskreislauf ‚9.28 a.m.‘ Geoff schwärmt von segensreichen, kreativitätsfördernden Auswirkungen unzähliger Philosophie-Bücher, die er und die Band reihenweise verschlingen, und diverser Reisen, die Queensryche notgedrungen unternehmen: „Dabei kommen mir gute Ideen. Selbst wenn es hier in München ist.“ – „Sorry, Geoff“, unterbricht ihn Drummer Scott Rockenfield, „Ich glaube, wir sind in Köln.“ Geoff murmelt was von Jet Lag und grinst.

Am Anfang ihrer Karriere ließen sich Queensryche von Gruppen wie Genesis, Rush, Pink Floyd und The Who beeinflussen, die ebenfalls vorzugsweise Konzeptalben machten. Die sehr unterschiedlichen Stilrichtungen auf ‚Promised Land‘ kamen teilweise dadurch zustande, daß „…jeder von uns inzwischen einen ganz anderen Musikgeschmack hat. Das war früher anders, deshalb konnte man uns auch eher auf eine Richtung festlegen“, erklärt Scott, „Ich höre beispielsweise gern Ryuichi Sakamoto oder Vangelis. Ich mag Soundtracks.“

Geoff dagegen hat gerade seine Sammlung mit Werken von David Sylvian wieder entdeckt, „…weil seine Musik von der Stimmung her so gut in den Winter paßt. Und ehrlich, der Bandname Rain Tree Crow könnte doch aus Seattle stammen.“ Damit wären wir bei einem seiner Lieblingsthemen: „Seattle hat so viel zu bieten, du kannst wandern, klettern, Skilaufen oder segeln, und es ist der ideale Ort für das Tiefseetauchen, meinen Lieblingssport.“ Geoff zählt die weiteren Vorzüge seiner Heimatstadt auf und klingt wie der Vertreter von Seattles Fremdenverkehrsverein: „Es gibt wunderbare Sea Food Restaurants, weil wir ja nahe an Alaska dran sind. Dichterlesungen sind im Moment sehr populär, deshalb rennt alle Welt in die Coffee Shops. Es gibt hippe Filmproduktionsfirmen und coole Geschäfte. In den rund 200 Clubs spielen alle möglichen Band, vom Heavy Rock bis zum Acid Jazz.“ Das Grunge Fieber sei schon lange wieder abgeklungen, hat Scott beobachtet, „Jetzt sind alle Spielarten des Jazz angesagt, vor allem mit Hip Hop gemischt.“

Was haben die Fünf außer einem Auftritt bei einem Wohltätigkeitskonzert, bei dem sie 140,000 Dollar einspielten, sonst noch in der einjährigen Pause gemacht? Geoff hielt sich meistens am oder auf dem Wasser auf. Nach der ‚Mind Crime‘-Tournee hatte er sich ein Boot gekauft. „Seitdem verbringe ich die meiste Zeit damit, es zu reparieren.“ Außerdem kümmerte er sich um seine Ehe: „Wir sind seit fünf Jahren verheiratet und üben immer noch für ein Kind. Aber dafür haben Scott und Chris Kinder.“ Falsch. Scott fällt ihm ins Wort: „Du meinst Michael und Chris. Ich wüßte, wenn ich Kinder hätte.“. Scott lebt allein, spielt in jeder freien Minute Tennis oder Pool-Billard und bastelt gerade an seinem zweiten Karriere-Versuch als Soundtrack-Komponist.

Bassist Eddie Jackson bekocht am liebsten seine neue Freundin. „Er macht richtig gutes mexikanisches Essen“, sagt Geoff. „Ein Wunder, daß seine Freundin das erste Jahr überlebt hat.“ Eddie schiebt eine Gruselepisode nach: „Kürzlich lag meine Katze neben dem Topf mit mexikanischem Essen. Da habe ich meine Freundin gerufen. Teresa, du mußt mal wieder eine Katze begraben!?“ – „Bei Queensryche stehst du immer mit einem Bein im Grab. Du kämpfst ständig um dein Leben“ fügt Geoff hinzu.

Da haben wir’s. In Wirklichkeit ist ‚Promised Land‘ eben doch nur ein Konzeptalbum über mexikanisches Essen.