Portishead
Beim Beginn ihrer ‚Welttournee‘ bewiesen Portishead in Paris auf beeindruckende Weise zweierlei: erstens, daß es möglich ist, sich mit eigenwilliger, nicht an Trends orientierter Musik ein großes Publikum zu erspielen; und zweitens, daß mit etwas Arbeit selbst ein typisches Studioprojekt zur fesselnden Live Show wachsen kann. Dafür mußte jedoch zuerst die Dramaturgie der Show geändert werden.
Anders als beim weniger geglückten ersten Auftritt von Portishead in Paris steht das Konzert der Band und damit der Höhepunkt des Abends am zweiten Tag als letztes auf dem Programm. Zuvor hat in der mit Stuck und Säulen verzierten Halle nahe dem legendären Moulin Rouge ein DJ seinen großen Auftritt. Danach wird noch ein kurzer Film vorgeführt, und dann, ja dann gibt’s endlich Livemusik. Neben Frontfrau Beth Gibbons besteht die Portishead-Bühnenbesetzung aus Bassgeige und Gitarre, Schlagzeug, Orgel und Turntable. Den Scratcher gibt Portishead-Hirn Geoff Barrow höchstpersönlich. Samples sind — wer die Platte kennt, ahnt es bereits — so gut wie allgegenwärtig. Doch wirkt der künstliche Klang in diesem Kontext derart organisch, daß man nicht einmal im Traum darauf käme, daß zu einem vollfetten Streichersatz auch so etwas wie ein Orchester gehört. Anders als auf Platte, wo zwischen einzelnen Bauelementen noch Schnittstellen erkennbar sind, bilden Portishead auf der Bühne eine in sich geschlossene, homogene Einheit.
Besonders bemerkenswert: die beeindruckende Weiterentwicklung von Sängerin Beth Gibbons. Wirkt ihre bittersüße Melancholie auf Platte bisweilen noch ein wenig manieriert und deswegen kühl, strahlt Gibbons Stimme beim Tourauftakt in Paris erstaunlich viel Wärme und Kraft aus. Ganz zu schweigen von Beths Bühnenpräsenz. Wenn sie, die nie erlöschende Zigarette in der rechten Hand, dem Mikrophon ihr Leid klagt, dann ist das Blues in zeitgemäßem Outfit. Musik, die dem Trend die kalte Schulter zeigt und gerade deswegen eine ganz eigene Faszination besitzt.
Vor diesem Hintergrund stellt sich nach dem Konzert in der französischen Hauptstadt im Grunde denn auch nur eine einzige Frage: Was kann diese Band als nächstes bieten, ohne sich zu wiederholen oder eine gänzlich andere Seite aufzuspannen?