Garbage
Unauffällig schleichen sich ein paar Typen Mitte dreißig auf die Bühne. Hinter das Mikrophon klemmt sich eine 25jährige mit wippendem Pferdeschwanz und enganliegendem T-Shirt. Ein Girlie, das sich zu einer Altherren-Combo verlaufen hat? Nein. Diese Band ist der derzeit heißeste Act im Alternative-Pop. Am Schlagzeug: ein Mann namens Butch Vig, ander Sound-Maschine ein gewisser Steve Marker. Beide Gründer der ‚Smart Studios‘ in Madison/Wisconsin. An diesem Ort nahm einst eine unbekannte Band namens Nirvana das Demo zu ‚Smells Like Teen Spirit‘ auf. Anschließend produzierte Butch Vig das Album, das zu den größten Scoops der Rockgeschichte zählt – ‚Nevermind‘. Wenn das Licht ausgeht und Garbage loslegen, wird selbst dem Unmusikalischsten klar, daß sich die Protagonisten auf der Bühne blind verstehen. Kein Wunder, Vig, Marker und Gitarrist Duke Erikson sind seit Jahren befreundet und haben bereits Mitte der 80er zusammen Musik gemacht. Kongenial ergänzt werden die Herren jetzt von Frontfrau Shirley Manson, die nicht nur unter Beweis stellt, daß sie zu den derzeit hoffnungsvollsten Stimmen des Genres zählt, sondern auch, daß sie KEIN Girlie ist. Das verwirrt nicht nur die zahlenden Konzertbesucher. Auch die Kommentare der angloamerikanischen Schreiber-Kollegen reichen von „seelenloser Courtney-Love-Klon“ (Spin) bis hin zu „Inkarnation eines tasmanischen Teufels im Körper eines Supermodels“ (Melody Maker). Shirley Manson ist das wurscht. Sie erzählt stattdessen lieber, daß sie anfangs überhaupt nicht wußte, WER Butch Vig war. Als die Schottin seinen Anruf erhielt, war sie gerade mit ihrer mäßig erfolgreichen Indie-Band Angelfish unterwegs. Erst ihr Management klärte sie auf, daß da ein Mann an ihr interessiert wäre, der neben Nirvana u.a. auch Sonic Youth (‚Goo‘), die Smashing Pumpkins (‚Gish‘, ‚Siamese Dream‘) und Urge Overkill (‚Americruiser‘) betreut hatte. Zu ihrer alten Band hat Shirley jetzt keinen Kontakt mehr. Fern von ihrem Boyfriend in Dublin fährt sie nun auf der Siegerstraße. „Es ist schon komisch, jetzt selbst ein Pop-Star zu sein“, hat Butch Vig bei seinem letzten Deutschland-Besuch gesagt und entsprechend nervös waren er und seine Mitstreiter bei den ersten Gigs in Hamburg und München im Dezember vergangenen Jahres. Kein Wunder: Es waren erst der zehnte und elfte gemeinsame Auftritt, und dabei war der Band in erster Linie wichtig, daß die Songs auch außerhalb des Studios funktionieren. On Stage setzen Garbage auf Understatement. Keine ausgeklinkte Bühnenshow, kein übertriebenes Gehabe, keine Publikumsanpeitsche. Manchmal klingen sie, als würde Billy Idol-Gitarrist Steve Stevens seine flächigen Powerchords über softindustrial-Landschaften reiten. Dann wieder dürfen sich die Freunde von My Bloody Valentine, den Cocteau Twins, den Pixies oder Siouxie And The Banshees freuen. Und mit dem bezeichnenden Titel ‚I’m Only Happy When It Rains‘ ruft die Band dann auch bei den erwachsen gewordenen Grunge-Kids im Publikum prickelnde Wehmut auf. Den Vorwurf, durch jedes Alternative-Dorf eine Sau zu treiben, können Garbage allerdings locker wegstecken. Denn ihr Material, streng dem Diktat des eingängigen Popsongs unterworfen, wird begleitet von kratzbürstigen Gitarren-Sounds, luftigen Beats, treibenden Bässen und schwebenden Samples, versehen mit eingängigen Melodien. Und es ist ein ganz spezielles Gebräu für die ausgehenden 90er. Über den Songs schwebt zudem stets eine elektrisierende Spannung, und auch Shirley Manson meint, daß man die CD dann in den Player werfen sollte, bevor man ausgehen will. Beispielsweise zu einem Garbage-Konzert.