Ausgerechnet David Gahan ist schockiert über den Drogentod von Jonathan Melvoin. Aber immerhin weiß er, wovon er spricht
New York, 12. Juli 1996. Jonathan Melvoin (34), Keyboarder der Smashing Pumpkins, stirbt in einem Hotelzimmer an einer Heroin-Überdosis. Die Geschichte der Rockmusik ist voll mit Drogen-Leichen. Von Joplin bis Garcia, von Holes Kristin Pfaff bis Shannon Hoon von Blind Melon.
Nach jeder Tragödie gehen Größen der Musikindustrie in sich und geloben ebenso reumütig wie scheinheilig Besserung. Nach Melvoins Tod hebt sich eine überraschende Stimme ab vom Heer der Oberflächlichen: David Gahan, Sänger von Depeche Mode und weltbekannter Drogen-Kopf, wurde im Mai dieses Jahres selbst ein Opfer einer Überdosis, als er sich im Musikerhotel Sunset Marquis in Los Angeles eine fast tödliche Mixtur aus Kokain und Heroin setzte. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus gab er aus einer Entziehungsanstalt in Kalifornien der ‚Los Angeles Times‘ ein Telefoninterview. Im Gegensatz zu anderen Antidrogen-Aposteln weiß er, wovon er spricht. Seine Koks- und H-Eskapaden füllten die Klatschspalten derT abloids.
„Ich bin nicht der Typ, der alle Leute retten will. Ich bin Sänger in einer Rockband, ich liebe dieses Leben, mit allem, was dazu gehört. Aber mein Schicksal hängt an einem seidenen Faden“, sagt Gahan. „Ein Rückfall, und für mich gibt’s keine Rettung mehr. Ich habe mein Haus verloren und darf nicht einmal mehr meinen eigenen Sohn sehen.“
Viel trennte ihn nicht vom Schicksal seines Musikerkollegens Melvoin, als Gahan im Mai mit einer Überdosis aus seinem Hotelzimmer getragen wurde: „Ich kam gerade aus New York zurück und wollte an unserem neuen Album arbeiten. Ich schoß ’nen Speedball, mein Dealer haute ab und ich wurde grün. Gottseidank konnte ich noch einen Notarzt rufen. Das einzige, das mich von Jonathans Schicksal trennt, ist Glück. Pures Glück.“ Die Erinnerung an den fast tödlichen Trip haben Gahan verändert. „Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, erzählte ich meinem Freund, ich hätte OD’d, und der sagte, ‚OD’d? David, du warst tot! Die mußten dich dreimal wiederbeleben!‘. Mann, ich hätte sterben können, mir mein Gehirn zu Mus schmelzen —- und das für drei lausige Minuten high!“ Die Erkenntnis kommt spät für den langjährigen User Gahan, der in der Entzugsanstalt auf sein Gerichtsurteil wartet. „Die Kids glauben, du müßtest ein Leben lang schießen, um so zu enden wie Jonathan oder ich. Blödsinn. Ein einziger Schuß reicht. Viele Kids steigen heute auch gleich auf Heroin ein. Das ist so, als wenn du gleich in der Hölle anrufst und nach einem Taxi verlangst. Das macht mir echte Angst!“