Ween


Im bunten Zitatenkosmos der (falschen) Brüder Gene und Dean Ween war immer schon Platz für einen Eintrag unter der Rubrik „Country & Western“. Die Zeiten des Zitierens sind nun vorbei -— Ween machen ernst. Ihre ’12 Golden Country Greats‘ haben Aaron Freeman und Mickey Melchiondo mit einer Schar gestandener Nashville-Profis aufgenommen — unter sparsamer Verwendung der genre-üblichen Ironiesignale. Live im ‚Fillmore‘ zeigt sich dann, daß die augenzwinkernde Verbeugung vor der Musik der Fernfahrer, Kuhjungen und Rotnacken ein wohlüberlegter Karriere-Schachzug ist. Ween benutzen den amüsanten Seitensprung nach Tennessee, um unbemerkt zu einer ernstzunehmenden Band heranzureifen. Das unterscheidet sie von ihrer Vorgruppe, San Franciscos Lokal-Heroinnen, den Kuntry Kunts. Die Damen behaupten von sich: „We’ve put the cunt back into Country“, kombinieren C&W mit S&M und bemühen sich auch sonst redlich um Hausverbot in der Grand Ole Opry. Ween dagegen haben ein Repertoire abzuarbeiten, so breitgefächert wie das Mississippi-Delta. Dabei behilflich sind ihnen sechs teilweise ergraute Studio-Cracks, denen die Interpretation solcher „Country Greats“ wie ‚Piss Up A Rope‘ und ‚Help Me Scrape The Mucus Off My Brain‘ ein Leichtes ist. Die Bewährungsprobe im ausverkauften ‚Fillmore‘ besteht diese Formation, als sie mit Pedal Steel Guitar, Geige und Grand Piano alten Ween-Klassikern wie ‚Push The Little Daisies‘ und ‚Spinal Meningitis‘ neue Seiten abgewinnt. Es ist ergreifend anzusehen, mit wie viel Begeisterung sich diese älteren Herren in Weens postmoderne Zitatenwelt begeben. Vor allem Russ Hicks an der Pedal Steel steht die Freude ins Gesicht geschrieben. Ween sind immer dann am besten, wenn sie ganz besonders dick auftragen. So etwa am Ende von ‚Japanese Cowboy‘. Die eher unspektakuläre Nummer erhält ein minutenlanges Bombast-Finale, das unvermittelt in ein noch aufgeblaseneres ‚Chariots Of Fire‘ mündet. Den Höhepunkt bildet die zehnminütige Spaghetti-Western-Ballade ‚Buenos Tardes Amigo‘ mit Deans haarsträubendem Gitarrensolo, an dem sowohl Ennio Morricone als auch Helge Schneider ihre helle Freude hätten. Überhaupt sticht Dean den oft unbeholfen und verkrampft wirkenden Gene locker aus. Während Dean lässig über die Bühne stolziert, Zigarette im Mundwinkel, und hörenswerte Saitenarbeit abliefert, kann sich Gene mit seiner Rolle als Frontmann nicht anfreunden. Linkisches Grinsen und unlustige Ansagen sind die Folge. Nach einem neunzigminütigen Set ohne Durchhänger erscheint der Zugabenteil wie eine Anti-Klimax mit schlappen Songs und Abstimmungsproblemen unter den Musikern. Dennoch: Die Verwandlung ist geglückt. Gene und Dean Ween parodieren nicht mehr länger, sie interpretieren. Und sie steuern auf die großen Hallen zu.