Offspring, London, Brixton Academy


EXAKT DREI SEKUNDEN LANG dauert die Ruhe vor dem Sturm: Während sich die vier von Offspring auf der nur mit Lautsprechern dekorierten Bühne einrichten, erklingt pseudogriechisches Gitarrengeklimper. Aber dann. Ein gewaltiger Bass erschüttert die „Academy“ in ihren Grundfesten, und dann wird losgebrettert. Aber gnadenlos! GNADENLOS! Offspring sind keine Freunde filigraner Instrumentalarbeit. So wie ihr Vokabular aus gerade mal drei Worten besteht CFuck“, „Shit“ und „Motherfucker“), sind auch die Koordinaten ihres musikalischen Universums rasch geortet: The Clash (die ersten beiden LPs), King Kurt, sowie früheste Black Sabbath. Schnörkelloser Urpunk, den das skate- und snowboardende amerikanischen Jungpublikum der Band millionenfach abkauft. Und obwohl Großbritannien über weißgott genügend Kombos ähnlichen Kalibers verfügt, zählen Offspring hier zu den Größten. So ist das neue Album der California Punks in London schon nach nur zwei Tagen ausverkauft. Das Publikum in der Brixton Academy besteht denn auch folgerichtig nicht nur aus Punks: Altrocker wippen bedächtig mit dem in Ehren ergrauten Haupt, Metal-Hippies moshen gemeinsam mit tätowierten Body-Piercing-Fans, und dazwischen jede Menge 14jährige, die sich heute abend zum ersten Mal in ihrem Leben besaufen. Die Atmosphäre ist freundlich, ein Punk-Event wie aus dem Bilderbuch. Schon beim ersten Song steht Sänger Dexter Holland in der Menge. Bald darauf teilt Gitarrist Noodles sein Mikrophon mit einem Stagediver. Ein Fan erklettert den Lautsprecherturm und stürzt sich aus sieben Metern Höhe ins Meer der Arme. Offspring reihen die Refrains wie an einer Kette auf. Evergreens wie „Smash“, „What Happened To You“ und „Gotta Get Away“ wechseln mit neuen Songs. Das alles klingt, als würden Clash, King Kurt und Black Sabbath zusammen „Paranoid“ singen – Gedanken, die hier und jetzt keinen Menschen interessieren.