»Wir sind doch keine Idioten«


Einiger Anleihen im reichen Fundus der Popgeschichte zum Trotz möchten Bobby Gillespie und die Seinen doch immer nach Primal Scream klingen.

Die Schaffenspause dauerte drei Jahre. Nun aber legen Primal Scream.die britische Band um den charismatischen Frontmann Bobby Gillespie, ein neues Album vor.Titel:“Vanishing Point“. Mit dabei: Primal Scream-Neuzugang und Ex-Stone Roses-Bassist Gary (Mani) Mounfield. Warum ist der alte Hase überhaupt bei den Screams eingestiegen? „Weil es geile Typen sind, die den richtigen Weg gefunden haben und supergute Musik machen.“ Da möchte der uneitle Bobby Gillespie natürlich nicht zurückstehen und gibt das Kompliment prompt an seinen neuen Mitstreiter zurück:“Mit Mani zu arbeiten, ist die reine Freude. Mehr ist diesbezüglich wirklich nicht zusagen.“ Aber wie steht es sonst um Primal Scream, eine Band, die es wie kaum eine andere schaffte, Anfang der 90er die damals aktuellen Musiktrends zu assimilieren und trotz kurvenreicher Stilbögen ihr eigenes Gesicht zu bewahren.“Das Gerede um die lange Pause zwischen unserer letzten und der neuen Platte erinnert mich an eine Geschichte, die ich mal über Sly Stone gelesen habe“, hebt der blaßgesichtige Bobby an. „In den frühen 7Oern beschwerte sich Slys Manager mal, daß die Fertigstellung von ‚There’s A Riot Goin‘ On‘ zu lange dauere. Sly antwortete:’Hör zu Mann, zwei Jahre sind vielleicht für andere eine lange Zeit, aber Sly Stone veröffentlicht keine normalen Platten, meine Songs sind Lebenswerke. Und Sly hatte verdammt noch mal recht.“

Auf seine eigene Band bezogen, heißt das für Bobby Gillespie:“Warum sollten wir andauernd im Studio sein, wenn wir nicht wirklich an etwas Außergewöhnlichem arbeiten können. Uns geht es darum.eine aktuelle musikalische Bestandsaufnahme hinzukriegen und nicht einfach nur ein Album auf den Markt zu schmeißen, bloß weil irgendein Schreibtischhengst das so möchte.“ Die Qualität der Musik spielt also die erste Geige im Hause Gillespie. Alte Gerüchte über angebliche Exzesse dagegen, bei denen auch nicht auf Rezept erhältliche Betäubungsmittel eine Rolle gespielt haben sollen, sind anno ’97 verstummt.

Bobby und seine Boys scheinen sich nur noch an ihrer Musik zu berauschen.

Nach der Rave-Kanonade „Screamadelica“ und dem Back To The Roots-Werk „Give Out, But Don’t Give Up“ läßt Gillespie zu dem für Juli angekündigten neuen Album von Primal Scream folgendes verlauten:“Einige Takes klingen ziemlich roh.’Vanishing Point‘ ist quasi die Garagenplatte von Primal Scream.“ Trotzdem: Von Drumcomputern unterlegte Balladen wie „Star“ werden dem ‚ geneigten Zuhörer ebenso begegnen wie auf „Medication“die obligatorischen Stones-Anleihen, dazu Dub-Elemente und psychedelische Parts. Doch Vorsicht! „Wir betreiben hier keinen Diebstahl“, unterstreicht Plattenfreak Gillespie,“wir verknüpfen lediglich Einflüsse unserer Jugend wie P-Funk, Memphis Soul, Punk, Stones und Beatles mit neuen musikalischen Erfahrungen. Wir sind doch keine stupiden Idioten, die sich einfach irgendwo bedienen, ohne darüber nachzudenken, ob die einzelnen Elemente am Ende auch zusammenpassen. Klar erkennt man manches wieder. Aber die Dinge sind so gut zusammengefügt, daß das Ergebnis letztlich immer nach uns klingt.“ Bei aller Freundlichkeit: Großartige Abhandlungen über die Musik seiner Band sind dem Schotten Gillespie sichtbar zuwider: „Sie wären ‚“mein kreativer Tod“.

Den Namen für ihr neues Album, „Vanishing Point“ eben, haben Primal Scream einem 70er Jahre-Roadmovie von Richard Sarafian entlehnt.“Die Platte ist so etwas wie der Soundtrack zu unserem Leben“, meint der 34jährige Gillespie. „Bei uns spielen so viele Zufälle mit, daß wir manchmal nicht nachvollziehen können, warum Dinge passieren. Sie geschehen einfach.“