Guano Apes: Handarbeit


Von der Kreisklasse in die Bundesliga. Die Guano Apes aus Göttingen schafften mit der handgemachten Musik ihres Debüts auf Anhieb den Sprung ins Profigeschäft.

MIT UNSERER MUSIK BEGEBEN WIR UNS natürlich in Konkurrenz zu Bands wie No Doubt und Carbage. Das ist uns durchaus I bewußt“, konstatiert Guano Apes-Bassist Stefan Ude nicht ganz unbescheiden und stellvertretend für seine drei Mitmusiker. Ziemlich große Worte für eine Newcomerband,deren Heimatstadt Göttingen nicht gerade den Ruf einer internationalen Rockstarschmiede genießt. Aber ein solides Selbstbewußtsein hat bekanntlich noch nie geschadet. Und schließlich verfügen die Guano Apes (genau wie obengenannte Bands) über das gewisse Etwas – und zwar in Gestalt einer charismatischen Frontfrau mit regelrechter Megapower. Mit ihr hat es die sympathische Band geschafft, sich auch ohne großen Medienhype, sondern allein durch ihre Musik und ihre massive Bühnenpräsenz einen Namen zu machen. Und das läßt tatsächlich auf Größeres hoffen.

Als Sieger des niedersächsischen „Local Heroes“-Nachwuchswettbewerbs 1996 hatten die Guano Apes, die in der jetzigen Besetzung seit Ende 1994 zusammen sind, sämtliche Juroren überzeugt und im Handstreich 1015 Mitbewerber glorreich aus dem Feld geschlagen. Mit dem satten Preisgeld von 70.000 Mark, das die Apes als Zuschuß zu einer Plattenproduktion einstreichen durften, und einer Menge Flausen im Kopf nahmen sie ihre erste Platte prompt in Angriff. An die denkwürdigen ersten Tage im Profistudio erinnert sich Stefan schmunzelnd: „Wir sind sehr naiv an die ganze Sache herangegangen, haben anfangs im Studio rumgekaspert wie auf einem Schulausflug und damit den Produzenten fast zum Wahnsinn getrieben.“ Es sei ihnen verziehen, denn letztlich trug dieses „Rumgekaspere“ äußerst schmackhafte, hörenswerte Früchte – wie die Erfolgssingle „Open Your Eyes“ und das Debütalbum „Proud Like A God“ beweisen. Beides Werke übrigens, durch welche die Band nicht nur zum erklärten Liebling der Snowboarder-Szene, sondern darüber hinaus auch zu einem der vielversprechendsten Newcomer-Acts überhaupt avancierte.

Die drei Jungs an den Instrumenten – Stefan Ude (23, Bass), Henning Rümenapp (21, Gitarre) und Dennis Poschwatta (23, Schlagzeug) – verstehen es, aus der im allgemeinen stark strapazierten Crossover-Kiste erfrischend Vielseitiges und Mitreißendes hervorzuzaubern. Neben harten Riffs frönen sie ausgiebig ihrem Hang zu Atonalität und Off-Beats, überzeugen aber gleichermaßen mit unter die Haut gehenden Balladen von beklemmendem Reiz. „Wir sind einfach vier Querköpfe, die versuchen, zusammen Musik zu machen. Jeder von uns hat seine eigene Vision im Kopf. Daraus und aus unseren unterschiedlichen musikalischen Vorlieben – von Frank Sinatra über Tori Arnos bis hin zu Heimet und Mucky Pup -entsteht dann eben diese eigentümliche Mischung“, versucht Ex-Bankkaufmann Dennis, der genau wie Henning nebenbei noch studiert, das abwechslungsreiche musikalische Spektrum der Band zu erläutern.

Daß sich der Faszination ihrer Konzerte kaum jemand entziehen kann, verdanken die Guano Apes allerdings nicht zuletzt ihrer energiegeladenen Frontfrau Sandra Nasic (21). Der ausdrucksstarke, druckvolle Gesang der taffen Sandra, verbunden mit angenehmer No Doubtz Optik, macht die zierliche Blonde (ob’s die Guanos nun wollen oder nicht, wobei letzteres dominiert) zum unbestrittenen Dreh- und Angelpunkt des Vierers. Mit beachtlicher Bandbreite in der Stimme gibt Sandra gekonnt die säuselnde Sirene, um im nächsten Augenblick alles um sie herum in Grund und Boden zu röhren. Das überraschen feingliedrige Energiepaket, das nach eigenem Bekunden nicht raucht, nicht trinkt und sich privat als „eher ruhig“ beschreibt, kann auf der Bühne geradezu explodieren, wie Henning Rümenapp nicht ohne Bewunderung bestätigt: „Auf den ersten Blick sieht Sandra ja ganz harmlos aus. Deshalb sind die Leute meistens völlig überrascht, wenn bei Konzerten so ein Monster aus ihr heraustritt und alles zusammenbrüllt. Es ist wirklich schwierig für uns, auf der Bühne neben ihr zu agieren.weil sie wie ein Känguruh rumhüpft und uns schlicht und einfach über den Haufen rennt.“ Eine Tatsache, die um so erstaunlicher wirkt, wenn Sandra von ihren ersten Auftritten vor Publikum berichtet: „In der Schule war es immer der absolute Horror für mich, vor der Klasse Referate halten zu müssen. Aber auf der Bühne, vor Hunderten von fremden Leuten, kann ich so richtig die Sau rauslassen. Das genieße ich total.“

Bereits seit Herbst letzten Jahres begeistern die Guano Apes im Zuge zahlreicher Auftritte mit ihrer energiegeladenen Bühnenshow ein immer größer werdendes Publikum. Konzerte haben die junge Band inzwischen kreuz und querdurch die Republik geführt. Auf diese Weise wurde aus den anfangs als reines Spaßprojekt konzipierten Guano Apes ein Fulltime-Unternehmen. „Wir sind ständig zusammen, geben fast täglich Konzerte und haben darüber hinaus noch haufenweise andere Termine. Da bleibt kaum mehr Zeit für ein ernsthaft betriebenes Studium oder andere Jobs, wie wir sie früher hatten“, beschreibt Sandra die veränderte Lebensweise der Guano Apes auf ihrem Weg nach oben. Glücklich sind die vier trotzdem – allem Streß zum Trotz. Daß es auf dem Weg zum Erfolg aber auch mal zwischenmenschliche Probleme gab, daraus macht die Sängerin der Guano Apes gar keinen Hehl: „Als es richtig losging, kannten wir uns ja noch gar nicht so gut. Und plötzlich waren wir auf engstem Raum im Tourbus zusammen. Wobei man wissen muß, daß wir alle ziemlich dickköpfig sind. Also mußten wir uns erst mal zusammenraufen.“ Das ist längst passiert, wobei Sandra das deutliche Wort immer noch schätzt: „Wenn es sein muß, streiten wir uns auch heute noch. Henning ist der einzige, der dann einen kühlen Kopf behält und uns auf den Teppich zurückholt. Aber genauso schnell, wie wir aufeinander losgehen, versöhnen wir uns auch wieder. Und meist haben wir einfach nur jede Menge Spaß miteinander. Inzwischen sind wir zu einer richtigen kleinen Familie zusammengewachsen.“ In einem Punkt ist sich die kleine Familie besonders einig: Trotz vieler Vergleiche mit bereits länger erfolgreichen Bands wie Skunk Anansie, Garbage oder No Doubt gehen die Guanos ihre weitere Karriere bescheiden an. „Wir wollen gar keine riesigen Rockstars werden. Viel lieber ist uns eine solide Fanbasis und die Möglichkeit, irgendwann von dem Geld, das wir mit der Musik verdienen, die Brötchen kaufen und die Miete zahlen zu können.“ Sollte machbar sein.