Legends Of Rock’n’Roll
WIE EIN BONSAI-LUDE – Mit metallisch glitzerndem Gehrock, frisch ondulierter Haarpracht und zentimeterdicker Tünche im maskenhaften Antlitz – stolziert der 65jährige Little Richard auf die Bühne, klettert aufs Klavier und begrüßt mit salbungsvoll ausgebreiteten Armen sein Volk. Erst nach Minuten hockt er sich auf den Klavierschemel und tupft ob der Anstrengung zunächst mal mit blütenweißem Tuch den fett perlenden Schweiß von der Stirn – noch bevor er den ersten Ton gespielt hat. Ein meisterlicher Start. Den Rest indes kann man getrost vergessen. Die Band prügelt sich routiniert durch den Set, und der Mann aus Macon legt offenbar nicht den geringsten Wert darauf, seine Hits halbwegs korrekt zu intonieren; alles wird fluchtig angespielt und gleich anschließend von peinlicher Animation („screeaam at me!“) wieder abgewürgt. Selbst die hartgesottenen unter den 5.000 in der Olympiahalle langweilen sich schnell. Da ist der „Killer“ schon von anderem Kaliber: Jerry Lee Lewis mimt den Bescheidenen, erscheint in zeitlos gräßlichem Poloshirt und hackt umgehend seine Evergreens in die Tasten. Dabei demonstriert der 62jährige locker, was ein anständiger R’n’R-Groove ist. Der Laden swingt. und alte Schlachtrösser wie „Whole Lotta Shakin“ und „Great Balls Of Fire“ rollen durch die Halle wie ein Mississippidampfer auf Speed.
Klarer Gewinner des Abends ist jedoch der 71jährige Chuck Berry. Der archetypische „Brown Eyed-Handsome Man“ verfugt über das ergiebigste Gassenhauer-Repertoire dieser rockenden Dreifaltigkeit, von „Memphis“ über „Sweet Little Sixteen“ bis „Johnny B. Goode“. Chuck laßt sich nicht lumpen und serviert alle Hits charmant, archaisch, augenzwinkernd. Als Gitarrist beeindruckt er nach wie vor, der Stil dieses Southern Gentleman ist noch immer einzigartig. Hier steht das Original, sein gelehrigster Schüler, Keith Richards, wird wohl noch weitere vierzig Jahre üben müssen.