Cassandra ruft
...und alle kommen. Zusammen mit der Jazz-Elite verbeugt sich Cassandra Wilson vor Miles Davis.
Wenn Jazzmusikern nichts mehr einfällt, zollen sie meist auf klingendem Weg irgendwelchen Vorbildern Tribut. Im letzten Jahr waren die musikalischen Würdigungen von George Gershwin, der 1998 hundert Jahre alt geworden wäre, kaum mehr zu zählen. Inmitten dieser Memorial-Flut hat sich die Sängerin Cassandra Wilson an ein Projekt gewagt, das ihr im Vorfeld ebenso viel Skepsis wie Neugier einbrachte: Sie setzte sich mit dem OEuvre des Jahrhundertmusikers Miles Davis auseinander. Zunächst bekam sie vom Lincoln Center in New York die Aufgabe, sich sechs Konzertabende lang der verschiedenen Schaffensperioden des Ausnahmekünstlers anzunehmen. Dann ging die 43jährige mit Jazzstars wie dem Saxophonisten Steve Coleman, dem Gitarristen Pat Metheny, der Geigerin Regina Carter, dem Vibraphonisten Stefan Harris und dem Bassisten Dave Holland ins Studio. Resultat: das betörende Album „Travelin‘ Miles“, das sich wohltuend von den vielen einfallslosen Tributkonzepten abhebt. „Man muß die eigene Motivation für ein solches Projekt genau hinterfragen“, meint Cassandra Wilson und fügt an: „Es bringt doch nichts, einfach das Repertoire eines Künstlers wiederzukäuen. Man muß versuchen, seine eigene Interpretation mit einzubringen.“