Wilco
TRIUMPH MIT TÜCKEN – SO KONNTE DAS FAZIT DIESES Abends lauten. Aber der Reihe nach: Am Anfang ist der Lärm. Der Mann am Mischpult wähnt sich offenbar im Volksparkstadion, die Regler sind bis zum Weiter-geht’s-nicht aufgedreht. Im klitzekleinen „Grünspan“ wackeln die Wände. Hinzu kommen gleich zu Beginn der Show massive technische Probleme. So klingt die Orgel sehr anders, als Jay Bennett sich das vorstellt; es dröhnt dissonant und knarzig. Für einen Moment macht sich blanke Panik auf den Gesichtern der Musiker breit. Chef/Sänger/Gitarrist Jeff Tweedy und seine Gefolgsleute Bennett (keys, g), John Stirratt (b) und Drummer Ken Coomer scheinen der störrischen Technik hilflos ausgeliefert. Nach kurzer Verzweiflungsphase entspannen sich die Musiker-Mienen jedoch zusehends. Der schmächtige und privat eher introvertierte Tweedy läßt lockere Sprüche, mitunter gar Witzchen vom Stapel. Lästige Pannen,die auch im weiteren Verlauf nicht ausbleiben, überbrückt er mit lässiger Nonchalance. Man könnte meinen, derlei Widrigkeiten passieren dem Mann jeden Abend. Die Band stellt ihr neues Album „Summer Teeth“ hier erstmals live vor, und da gilt es, die Fans vom neuen Wilco-Kurs zu überzeugen. Denn nach den beiden ersten Wilco-Alben, die im gesicherten Terrain von „Neo Country“ und „No Depression“ angesiedelt waren, hat Tweedy auf „Summer Teeth“ alle stilistischen Scheuklappen abgelegt und jongliert fröhlich mit Beach Boys, Banjo und Black Sabbath. Im „Grünspan“ wird jedoch schnell klar, daß mit Songperlen wie „Via Chicago“ oder „Can’t Stop“ im Gepäck nichts schiefgehen kann. Spielend bringen Wilco die Kundschaft zu kollektiven Jubelausbrüchen – gelegentlich gar zur Ekstase. Selbst auf dem V.I.P.-Balkon soll getanzt worden sein. Kurz nach dem Konzert treffe ich den Wilco-Manager. Er strahlt: „We’re definitely playing the summer open airs with R.E.M.“ Sekunden später schlurft Peter Rüchel vom „Rockpalast“ mit beglücktem Gesichtsausdruck vorbei. Sieht so aus, als gäb’s demnächst noch reichlich Wilco zu hören und zu sehen. Gut so.