Kurz und Live
Man war optimistisch: Nachdem Marilyn Manson beim Hurricane-Festival am Vortag noch auf Kameraleute losgegangen war, zog er am Sonntag beim Münchener Zwillingsfestival Southside seinen Promo-Schedule durch, ohne auch nur einem Interviewer das Merz herauszureißen. Beim Auftritt erzürnte sich der God Of Fuck dann aber über „technische Probleme“ (Info des Veranstalters) mit der Anlage. Nach 20 Minuten unterhaltsam anzusehenden Gezeters, ca. vier zerdroschenen Mikros und dreieinhalb Songs war die Show zuende. Traurig, ja, aber ohne Salz in Wunden streuen zu wollen: sind es nicht genau solche „Skandale“, die wir von Schockrockern erwarten? Schade nur, daß sich die anfangs wenig aggressive Stimmung im Publikum durch psychologische Ungeschicklichkeiten bis zur Erstürmung der Bühne steigerte. Schade, daß im Security-Kontingent immer auch Herren sind, die lieber Schlägern als zu deeskalieren. Schade, daß keiner der MTV-VJs, die das Festival moderierten, beschwichtigende Worte fand und dafür Neubibergs Vize-Bürgermeister (!) mit einer unsäglichen Ansage nerven mußte. Schade war’s, wenn Southside als ganzes Schaden nähme. Denn: es war schön und so soll es wieder sein, (jols) Zur vierten Auflage des Free Tibet Festivals hatte sich Bus«« Boy Adam Vauch einiges vorgenommen. Statt nur in den USA ein Festival auf die Beine zu stellen, wollte er diesmal global agieren: In Sydney, Tokio, Chicago und Amsterdam. Doch durch den Kosovo-Krieg hat die Tibet-Problematik an Brisanz verloren und fand somit weniger Fürsprecher in Musikerkreisen. Die Kettenreaktion: wenige große Namen, kein Medieninteresse, kein Publikum. In der riesigen Amsterdamer RAJ-Messehalle verloren sich denn auch spärliche 3.000 Zuschauer, nicht wenige Tickets waren wegen der Absage von Rage Against The Machine zurückzugeben worden. Wer blieb, sollte es – zumindest anfangs nicht bereuen. Luscious Jackson und Joe Strummer begeisterten ebenso wie ein Greatest Hits-Set von Garbage oder die Akustik-Einlage von Radio-Head Thom Yorke. Doch dann fiel die Kurve ab: Urban Dance Squad langweilten mit müdem Crossover, Alanis Morissette mit Esoterik und die indisponierten Blur mit einem chaotischen Gig. Fatal, schließlich soll die Musik Gegenpol zur Informationsflut sein, mit der die Zuschauer im Rahmenprogramm bombardiert werden. So blieb der Spirit des Festivals weitgehend außen vor. Fortsetzung ungewiß.