Red Hot Chili Peppers: Hamburg, Kampnagel
DIE WELT IST SCHLECHT UND UNGERECHT. DA GEBEN DIE endlich in bester Besetzung wiedervereinten Chili Peppers einen einzigen Club-Gig in Deutschland – und dann gibt’s dafür keine Karten zu kaufen. Denn abgesehen von einer Handvoll Glückspilzen, die bei Verlosungen Tickets gewonnen hatten, ist das Schauspiel mit V.I.P.-Ausweisen verzierten Medienmenschen vorbehalten. Dem Publikum, das zu beackern selbst beim passioniertesten Musiker Bühnenlähmung bewirken kann. Lediglich die unverdrossenen Verlosungsgewinner sorgen heute im vorderen Mittelfeld für partielle Stimmung. Ansonsten gilt: Euphoriebezeugungen? Wie uncool! Auch Vollprofis wie die Chili Peppers haben mit derlei Un-Stimmung schwer zu kämpfen. Dabei legen sie beim geradezu unstandesgemäß pünktlichen Konzertbeginn um 21.00 Uhr einen sehr fetten Einstieg hin: Gleich als zweites Stück ist „Give It Away“ dran. Überhaupt gibt es „Blood Sugar Sex Magik“ satt. Aber was bei einem normalen Publikum kollektive Ekstase verursachen würde, bewirkt bei der Ölgötzenfraktion gemäßigten Frohsinn. Der beim weiblichen Zuschaueranteil steigt, als die obere Hälfte von Anthony Kiedis’Angus Young-Outfit (weißes Hemd, Krawatte, kurze Hose) in der Ecke landet und den Blick auf den ergötzlichen Body des 36jährigen freigibt. Doch auch die nackende Sängerhaut macht die ungewohnt spröde Ausstrahlung der Band nicht wett. Die Jungs fahren nur mit halber Kraft. Kiedis hält sich mit Ansagen zurück und abgesehen von gelegentlichen Hopsern – meist am Mikro fest, überläßt die Körperarbeit dem Aufziehmännchen Flea. Der bangt dafür head wie Fiat Eric, liefert dabei gewohnt tighte Baßarbeit und diskutiert zwischendurch mit dem Publikum über absonderliche deutsche Toilettengegebenheiten. Und der vielbesungene wiederbelebte John Frusciante? Der sieht mit verquollenen Augen und filziger Matte so lebendig nicht aus, zeigt jedoch in lustvollen Jams mit Flea seine Qualitäten an der Gitarre. Ihrem Ruf als umwerfender Liveact werden die Peppers aber erst gegen Ende des Sets gerecht. Die Highlights „Power Of Equality“, „Search And Destroy“ und „I Like Dirt“ bringen selbst die Medienmeute in Wallung. Und gerade, als man meint, es wird doch noch nett, ist alles vorbei. Nach einer Stunde – inklusive Zugabe – verlassen die Chili Peppers wortlos und unwiederbringlich die Bühne. Licht an, Stecker raus. Und wie war’s so? Alles in allem – man sagt’s ungern – kurz und herzlos.