One Love – The Bob Marley All-Star Tribute


JEDES KIND AN JEDER STRASSENECKE, JEDER GROSSPAPA IN JEDER STRASSENeckenbar brummt früher oder später gedankenverloren einen Marley-Song, so, wie man in anderen Ländern ein Volksliedchen summt oder Oldies vor sich hin pfeift. Nein, in Jamaika braucht die „Legende Marley“ keine Frischzellenkur. In den USA aber verhält sich die Sache anders. Dort ist Marley zwar populär, aber eben nur in Grenzen. Diesen Missstand zu beheben, initiierte Sohn Stephen Marley das Tribute-Album „Chant Down Babylon“. Grossen wie Guru, Rakim, Busta Rhymes, Chuck D, Erykah Badu und Lauryn Hill duettierten darauf zu dicken Beats mit originalen Bob-Gesängen. Das Resultat war eine recht elegante Platte, die das Ziel, Marley einem HipHop-Publikum näher zu bringen, noch mit einer gewissen Würde anpeilte.

Im Gegensatz zum Album geht es beim ,,One Love“-Tribute-Konzert – die Ausrichtung war eine Idee von Marley-Witwe Rita – nicht um HipHop, sondern um Reggae. Und darum, Bob selig weniger ein Lorbeerkränzchen als vielmehr einen ganzen Lorbeerwald in die Dreadlocks zu flechten. Die Sause am „James Bond Beach“ (hier wurde der letzte 007 abgedreht) beginnt um punkt 20 Uhr vor einem Publikum, das zu knapp 80% aus Amerikanern besteht, die im Rahmen eines Pauschalangebot eingeflogen wurden – der Eintrittspreis von $50 entspricht in etwa dem Wochengehalt eines Kellners in dem Hotel, in dem sie untergebracht sind. Den Anfang macht eine Truppe von orthodoxen Rastas mit Burru-Trommeln. Ihr Leader stellt sogleich die Forderung, die Regierung solle Robert Nesta Marley endlich zum Nationalhelden erklären, der drittwichtigste Orden der Nation, der ihm verpasst worden ist, sei ja wohl mehr eine Beleidigung. Dann „The Marley Family“: zu Stephen und Bruder Ziggy stoßen Ky-Mani, Julian und Damian, sowie Sharon und Cedella, sporadisch auch Mama Rita. Die Boys klingen bei Songs wie „Africa Unite“ und „Natural Mystic“ frappant wie der Papa, die Band („the original Wailers“ sagt Rita, dabei sind nur Familyman Barrett und der Keyboarder noch dabei) spielt solide. Eigentlich müsste das der Startschuss zu einer Riesenfete sein – dass dem nicht so ist, hat zwei Gründe: erstens die überwältigende Präsenz des US-TV-Senders TNT, zweitens die abstoßenden Selbstherrlichkeit von Rita Marley. Die ganze Show wird gnadenlos den Bedürfnissen der Kameras untergeordnet. Bei technikbedingten Pausen zwischen den Liedern ist es den TV-Leuten egal, was mit dem Publikum passiert, immer wieder bricht die Stimmung in sich zusammen.

Die“daist-für-jeden-was-dabei“-Auswahl der Stargäste ist auf ein Massen-Fernsehpublikum zugeschnitten: Black Crowe Chris Robinson, Dr.John.Tracy Chapman, Ben Harper und Hootie & The Blowfish-Stimme Darius Rucker schlagen sich redlich. Chrissie Hynde fühlt sich sichtlich fehl am Platz, Jimmy Cliff und Toots Hibbert sind okay. Für die Höhepunkte sorgen Lauryn Hill („Turn Your Lights“) und Erykah Badu, ihre Live-Version von „NoMoreTrouble“ ist gar druckvoller als die Album-Version. Dazwischen aber nervt immer wieder Rita Marley, die vor lauter Begeisterung ob ihrer Beweihräucherungsarien für Bob und seine Taten (kein Wort über Peter Tosh und Bunny Wailer) manchmal nahezu ins Japsen gerät. Ein Rasta hält es schließlich nicht mehr aus und brüllt mit dem Zorn des Gerechten: „Möge der Blitz dich treffen, Rita!“ Solch Ungemach geschieht nicht, nur regnen tut’s plötzlich in Strömen. Nach dem sekundenpräzisen Ende der Show – alle Teilnehmer haben zusammen noch „One Love“ gesungen – findet sich Rita im Pressezelt ein und verkündet, der Marley-Clan habe heute ja wohl einen wunderbaren Job geleistet. „Und ausserdem möchte ich den Sponsoren danken…“ Ruhe in Frieden, Bob. Das ist eh alles nichts mehr für dich hier unten.