Cure


AM TAG DANACH WIRD JENER RADIOSENder, der mit „Friday l’m In Love“-Trailern das schräge Konzertereignis schmackhaft machen wollte, eine Reportage senden. In dieser wird berichtet werden, dass The Cure in der Olympiahalle auf Lieblichkeit und munteres Spiel, auf ganze Facetten ihres Werks und dutzendweise Hits verzichtet haben. Nur um dröge zu dröhnen, gewaltig zu beben, schmerzverzerrt zu lärmen, den alten Göttern zu huldigen. Auch Konzertbesucher werden im Hörfunk zu Wort kommen, werden noch vor der fast dreistündigen Demonstration von Eigensinn, Unnachgiebigkeit und Trübsalblasen um O-Töne erleichtert. „Wir gehören zu den alten Cure-Fans , wird ein Mensch behaupten und die Vorzüge dieser Tradition preisen. Gerade seinesgleichen sollte gesegnet sein an diesem Sonntag im April. Robert Smith meint es gut und besser mit seinen alten Freunden – und nur mit diesen. Einmal mehr beschränkt sich sein Ansagenschatz, verschüchterter denn je, auf das Wechselspiel von ,,’kay!“ (in Ordnung) und „th’nku“ (Danke). Doch was Robert und seine nicht mehr vollständig toupierten Musikanten zwischen den fremdelnden Gesten bieten, macht den Großteil des Publikums sprachlos. Cure führen live eindrucksvoll vor, wovon der Chef sprach, als er eine Trilogie des aktuellen Albums „Bloodflowers“ mit „Disintegration“ und „Pornograhpy“ beschwor, seine mittlere, selbstzerstörerische Schaffensphase lobpries. Und sie gehen noch weiter. Spätestens „One Hundred Years“ – zuvor hat die Band den neuen, so epischen wie durchweg melancholischen Songs viel Raum gelassen – plättet auch den letzten Kritiker, zermalmt jeden Anflug von Nostalgie. Die Beatbox wirft sich in die Wogen, das quälend leiernde Gitarrenspiel durchbricht alle Noisegates. Farbenfrohe Lichtkegelspiele weichen dem Stakkato des gleißenden Weiß. Wo zuvor Kussmünder auf Projektionslaken glühten, sich Roberts Antlitz im fahlen Blau wölbte, tanzen gespenstisch die Schatten. Ein Inferno – das Manifest des Gruftrock, danach jammerten dereinst nur noch die Epigonen. Robert Smith macht an diesem Abend keine Kompromisse: „Siamese Twins“,“AII Cats Are Crey“, „Play For Today“, „M“, das fast unerträglich tosende „Pornograhpy“ selbst, „Faith“ und „A Forest“ natürlich, am Ende „Disintegration“ als Monolith von einem Abgesang. Sad old Bob gibt den Unbelehrbaren, den sich ewig im Selbstmitleid Suhlenden was sie wollen, ohne den faden Nachgeschmack eines Aufgusses zuviel. Und irgendwie beschleicht einen das Gefühl, dass sich der geniale Gruftie nach dieser Vorstellung tatsächlich gänzlich seiner heimischen Rosenzucht widmen könnte.