Lady Luck
15 Millionen verkaufte Platten. Multimillionärin. Aber eine sympathische. Und Kinder will sie auch. Dabei hat Sharleen Spiteri von Texas doch schon jetzt genug um die Ohren.
Mylady wartet in der „Westminster Suite“ – und die ist so groß, „dass man sich glatt da drin verlaufen kann“, wie die nette Dame von der Plattenfirma lächelnd erklärt, als sie anklopft. Und in der Tat lässt das „Wohnzimmmer“ schon auf den ersten Blick erkennen, dass in einer solchen Umgebung nur jemand Hofhalten kann, der es schlicht und ergreifend geschafft hat: Der in die Wand eingelassene Fernseher hat Übergröße (es läuft ein Billardturnier – wir sind schließlich in England), der Blick über die Themse ist so gigantisch wie die Fensterfront, die ihn freigibt, und um ihn von der majästetischen Couch aus geniessen zu können, muss man erst mal ein paar Stufen hoch. Hier also logiert Sharleen Spiteri (32), Chefin von Texas und Multimillionärin, wie sie im Interview mit entwaffnender Offenheit sagen wird.
Anfangs, heißt es, sei die attraktive Schottin, die ihren ersten Welthit „I Don’t Want A Lover“ mit 18 schrieb, fast schüchtern beim damals noch ungewohnten Umgang mit Presseleuten gewesen. Muss wirklich lange her sein, denn die hübsche junge Frau, die es sich da mit angezogenen Knien im Sessel bequem macht, hat nun wirklich nicht die Aura eines scheuen Rehs. Ihre braunen Augen blitzen hellwach, wenn sie antwortet – was sie an diesem sonnigen Septembertag sichtlich gern und nicht gerade einsilbig tut, schließlich darf sie eine „Labour Of l.ove“ promoten.
Gemeint ist das Greatest-Hits-Album ihrer Band, eine 16 Titel umfassende Rückschau auf elf lahre, angereichert mit drei neuen Songs, darunter die Vorab-Single „In Demand“. An der hat auch TLC-Macher Dallas Austin mitgebastelt – ein die Gehörgänge streichelndes Liedchen, dem man seinen sonnigen Herkunftsort Miami unschwer anhört. Zeitgemäß produziert und hübsch eingängig, Songs, die keinem weh tun – solche Musik machen Texas im Prinzip seit nunmehr fünf Alben. Wobei das letzte, „Hush“ betitelt, nach dem schon erfolgreichen „White On Blonde“ von 1997 für einen fulminanten Nachschlag gesorgt und Frau Spiteri nicht zuletzt dank des erotischen Videos zu „Summer Son“ endgültig den Stempel eines Sexsymbols verpasst hatte.
Dabei besteht die Gruppe doch nicht nur aus ihr maulen die anderen da nicht? „Keine Spur. Die sind beim Dreh in der Regel auch mit von der Partie, leisten mir sozusagen seelischen Beistand.“
Mit rund 15 Millionen verkauften Platten im Kreuz kann es sich die sympathische Ex-Friseuse aus Glasgow, die seit fünf Jahren in London wohnt, heute leisten, die Dinge etwas ruhiger angehen zu lassen – zum Beispiel was Tourneen betrifft: „Ich werde garantiert nicht nochmal zwei Jahre am Stück auf der Straße sein, ständig im Nightliner pennen, so wie früher, nee. Wir haben diesen Sommer ein paar Festivals gespielt, das war okay. Lind wir waren zum ersten Mal in Polen! Lind natürlich werden wir auch 2001 wieder unterwegs sein, zuerst in England und dann im restlichen Europa. Aber nicht gleich für ein paar Monate am Stück! Klar macht es Spass, wenn du da oben stehst und die Leute singen jeden deiner Texte mit, aber wenn du das längere Zeit tust, verkommt es zur Routine. Viel wichtiger ist es für mich, gute Songs zu schreiben.“
Das tut sie schon seit Jahren mit ihrem Bassisten Johnny McElhone, wobei sich Sharleen ein hehres Ziel gesetzt hat: Sie will Zeitloses komponieren, „etwas, das auch nach lahren noch Bestand hat“. Das freilich ist ein hartes Brot: Im Keller ihres Studios stapeln sich Berge archivierter Nummern, die als zu schlecht ausgemustert wurden und in dieser Form wohl nie das Licht der Welt erblicken werden. „Das ist wirklich ein ganzer Haufen, richtig beschissenes Zeug. Ja, was glaubst denn du – nicht jede Nummer ist ein Meisterstück! Manchmal stecken aber zumindest verwertbare Teile drin, die man für etwas anderes brauchen kann. Aus diesem Grund wird auch nie etwas gelöscht, das ist alles wohlgeordnet auf diversen Festplatten“, sagt der bekennende Carole-King- und Madonna-Fan und lacht dabei, als ob diese Form des Song-Recycling das Natürlichste überhaupt sei.
Dass sie zusammen mit ihrem Partner Johnny einen Ivor Novello Award für ihr künstlerisches Gesamtwerk bekommen hat, macht sie immer noch mächtig stolz, „denn das ist für mich eine Auszeichnung, die wirklich zählt (beide haben sich übrigens geschworen, ihr Teamwork sofort zu beenden, wenn sich ihre Songs nicht mehr verbessern sollten). Es liegt nahe, dass Sharleen längst auch schon für andere hätte schreiben können, aber das will sie nicht – noch nicht: „Ja, es gab Anfragen in dieser Richtung. Aber diesbezüglich bin ich wirklich schrecklich.“ Sie wacht ja schon mit Argusaugen darüber, wenn sich andere remixenderweise mit ihren Kompositionen befassen, so etwa Giorgio Moroder oder Todd Terry. Könnte sie sich denn vorstellen, gänzlich mit der Musik aufzuhören? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Absolut. Aber momentan gibt es nichts, was ich lieber täte als Musik zu machen. Auch wenn es noch vieles anderes gibt, was mich interessiert und mir tierisch Spaß macht. Fotografieren zum Beispiel.“ Nun ist das zierliche Aushängeschild von Texas ja schon jenseits der 30 denkt man da nicht mal ans Heiraten und Kinderkriegen? Momentan ist das ja zwar kein Thema, aber.. .“Ja warum denn nicht?“ Jetzt funkeln die braunen Augen richtig: „Ich kann reisen, wann und wohin ich will, ich kann mir die besten Quartiere leisten. Lind ich mag Kinder. Wenn ich morgen schwanger würde, dann würde ich eben aus dem Stand kürzer treten. Dann würde ich auch die Tour kippen; ich fände es nämlich nicht sonderlich toll, mit einem dicken Bauch auf der Bühne zu stehen, und ich glaube, die Leute hätten dafür auch Verständnis. Das ist eben das Schöne: Ich könnte von heute auf morgen fünf Jahre am Stück pausieren. Ist der Nachwuchs dann im Schulalter, kann ich wieder angreifen. Da hab ich’s verdammt gut im Vergleich zu den meisten anderen Frauen, und dessen bin ich mir auch bewusst. Ich muss nicht ein paar Wochen nach der Geburt meines Kindes gleich wieder arbeiten gehen.“ Wohl dem, der ein solches Bankkonto hat. www.texas.uk.com