Premiere in Paris: Die Jimi Hendrix Experience beginnt ihre kometenhafte Karriere in Frankreich


Der Kritiker der franiösiichen Zeitung „L’eure eclair“ zeigt sich an jenem 22. Oktober 1966 wenig begeistert: „Eine schlechte Mischung aus James Brown und Chuck Berry„, erkennt der gallische Fachmann für le Rock’n’Roll. Auf der Bühne steht ein junger Afroamerikaner, der „eine Viertelstunde lang Grimassen schnitt und die Gitarre sogar mit den Zähnen spielte“. Skandalös, mon dieu. Die Rede ist von Jimi Hendrix, genauer gesagt: von der Jimi Hendrix Experience, die zum damaligen Zeitpunkt seit ganzen drei Wochen besteht. Der 23-jährige Jimi Hendrix, erst am 24. September in London angekommen, beendet Anfang Oktober gemeinsam mit Manager Chas Chandler das Casting für seine Begleitband: John „Mitch“ Mitchell (19), vorher bei Georgie Farnes Blue Flames, setzt sich fortan hinters Schlagzeug. Und der 20-jährige Noel Redding, der sich eigentlich um den freien Gitarristen-Posten bei Eric Burdons Animals bewerben wollte, übernimmt den Bass.

Premiere in Pans Die Jimi Hendrix Experience beginnt ihre komentenhafte Karriere in Frankreich.

Nachdem die drei Musiker ein paar Standardi wie „Midnight Hour“, „Land Of Thousand Dances“ und „Have Mercy“ einstudiert haben, reisen sie am 12. Oktober nach Frankreich, um während einer kurzen Tournee das Vorprogramm von „Frankreichs Elvis Presley„, Johnny Hallyday, zu bestreiten. Hendrix hat zwar schon zuvor in London mit prominenten Kollegen wieCream und Brian Auger gejammt- was ihn zum Stadtgespräch werden ließ-, doch erst im französischen Evreux geht der erste Gig der kompletten Experience über die Bühne. „Jeder Auftritt dauerte ohnehin nur zehn Minuten“, erinnert sich Mitch Mitchell, Hendrix variiert das Programm mit „Killing Floor“, dem Troggs-Hit „Wild Thing“ sowie einer bluesigen Version des Folksongs „Hey Joe“. Höhepunkt der Tournee ist die überaus erfolgreiche Show im Pariser „Olympia“ am 18. Oktober, danach geht’s zurück nach London. Am 23. Oktober trifft man sich im De Lane Lea Studio, um „Hey Joe“, die A-Seite der ersten Single, aufzunehmen. „Ich hatte gerade genug Geld, um die Kosten für ‚Hey Joe‘ zu decken“, erinnert sich Chas Chandler Jahre später: „An die Aufnahme einer B-Seite war vorerst nicht zu denken.“ Tatsächlich muss Chandler, ehemaliger Bassist der Animals, einige seiner Instrumente verkaufen, um die Session für die B-Seite „Stone Free“ zu finanzieren. Als beide Songs im Kasten sind, winkt auch noch die Plattenfirma Decca überraschend ab, mit der Chas Chandler bislang verhandelt hat. Glücklicherweise entschließt sich Polydor zur Veröffentlichung der Debütsingle, was für alle Beteiligten ein gutes Geschäft wird. Zuvor jedoch macht die Experience noch einen Abstecher nach Germany, wo die noch völlig unbekannte Gruppe vom 8. bis zum 11. November allabendlich im Münchener Club „Big Apple“ spielt. Zurück an der Themse wird das Trio bei einem Auftritt im „Bag O’Nails“-Club erstmals der Presse vorgestellt. Am 16. Dezember erscheint „Hey Joe“ und wird nicht nur umgehend zum ersten Hendrix-Hit, sondern legt auch den Grundstein zu dessen weltweiter Karriere. Die Experience besteht bis Ende 1969, als Hendrix die kurzlebige Band Of Gypsys aus der Taufe hebt. Bis tu seinem Tod im September 1970 jammt Hendrix mit den verschiedensten Besetzungen, seine bis heute erfolgreichste Band jedoch ist und bleibt die Experience, die mit „Are You Experienced?“ (1967), „Axis: Bold As Love“ (1967) sowie „Electric Ladyland“ (1968) drei legendäre Album-Klassiker einspielt.