Singles


von Albert Koch Werfen wir für die erste Kritik erst einmal das Phrasendresch-Programm am iBookan: Brendan Benson hat Sehmackes und durchaus das Zeug dazu, mit „The Folk Singer EP“ (V2/ Zomba) das Herz der Freunde von den Strokes und den White Stripes zu erfreuen. Denn genau zwischen diesen beiden Polen bewegt sich der Musiker aus Detroit, Michigan, auf seiner EP, die von einem später im Jahr erscheinenden Album kündet. Benson gibt sich ein bisschen poppiger als Erstere, nicht ganz so störrisch wie die Geschwister White. Melodischer Lo-Fi-Indie-Rock, der irgendwie an Sechziger-Jahre-Zeugs erinnert. An was? Keine Ahnung, das Rock’n Roll-Vergleichsprogramm lässt sich nur starten, wenn das Phrasendresch-Programm beendet wird.

Für Benjamin Diamond braucht’s kein Rock’n’Roll-Vergleichsprogramm, eher schon ein Franzosen-Mainstream-House-Vergleichsprogramm. Diamond, bekannt aus Funk und Fernsehen als „Music Sounds Better With You“-Vokalist und Thomas „Daft Punk“ Bangalter-Mitarbeiter, hat vergangenes Jahr die Musik für eine Männer-Modenschau von Dior geschrieben. Und genau diese gibt’s auf der 12-lnch“.Solitaire“ (Diamond Traxxl. Nicht die Modenschau, die Musik, du Hoeneß! Die drei Tracks – wir Fachleute nennen Songs von elektronischen Musikern .Tracks“und nicht.Songs“ – kommen als Hybride aus Ivokalem) funky-poppy House mit sehr starken Elektro-Einflüssen und Philly-Sound-Streicherschmalz daher. Das ist genau das Richtige für eine glamouröse Dior-Modenschau und tut überhaupt nicht weh. Aufler solchen Leuten, die lieber Songs hören wollen statt Tracks.

J Eine richtige Stammgästin in dieser Rubrik ist mittlerweile Kylie Minogue geworden. Das ! liegt – unter anderem – daran, dass es der Plattenfirma der „schönen Australierin“ © 2002 EMI Electrola GmbH & Co.KG, Presseabteilung) immer wieder gelingt, rechtzeitig die neuen Singles der „schönen Australierin“ auf dem Schreibtisch des Chefredakteurs zu platzieren, der sie dann ohne Verzug an den Singleskastenschreiber weitergibt, weil er weiß, dass Singles der „schönen Australierin“ da am besten aufgehoben sind. ,. Love At First Sight“ iPartophone/EMI Etectrola) ist die dritte Single aus FEVER. dem sensationellen Erfolgsalbum der „schönen Australierin“, und eine ein bisschen allzu lasche Disco-Pop-Nummer, die keine neuen Erkenntnisse bringt. Derweil lässt uns die Plattenfirma der „schönen Australierin wissen, dass die „schöne Australierin“ demnächst für den Sultan von Brunei ein exklusives Konzert geben wird, sich aber nach wie vor weigert, sich für den „Playboy“ auszuziehen. Trotz eines „7-stelligen Angebots“. Wir nehmen das bedauernd zur Kenntnis, fragen uns aber: Was, zum Teufel, ist ein „7-stelliges Angebot“?

Wir wissen nicht, wievielstellig das Angebot ist, dass der „Playboy“ Gwen Stefani gemacht hat.

I Eines aber ist sicher: Als Gutfinder von No Doubt steht der Schreiber dieser Zeilen in der Redaktion momentan ziemlich alleine da. Dass das letzte No Doubt-Album ROCK STEADY für die Band aus Anaheim ein Riesenschritt nach vorne war, kann man halt auch nur dann beurteilen, liebe Kollegen, wenn man sich’s eingehend anhört. „Hella Good“ llnterscope/ Motor/Universal) ist schon irgendwie hella good. Ein stampfender, hübsch mit digitalen Soundeffekten aufgeladener funky Elektro-Pop-Song, der nichts falsch macht. Im Gegensatz zu Chanteuse Gwen Stefani. Die nämlich sollte schnellstens ihren Modeberater wechseln.

Peaches, noch schlechter als Gwen Stefani gekleidete Kanadierin, macht auf total schrille, versaute Ich-rasiermir-nicht-die-Achselhaare-Bitch und preist in ihren Liedern nicht selten die Freuden des Geschlechtsverkehrs. Das steigert das Vergnügen, das provoziert, das bringt Geld. Das haben auch die klugen Leute von Sony erkannt und vertreiben jetzt die Platten von Peaches. „Set 1t Off“ IKitty-Yo/Epic/Sony Music) hat sechs Remixe besagten Stücks tu.a. von Kid 606 und DJ Assault), die den Disco-Pop-Trash des Originals noch ein bisschen disco-pop-trashiger machen.

Und jetzt zu vier neuen Tracks von Plaid, dem duften Elektronik-Duo aus London. Auf „2P-Brane EP“ [Warp/ i.N-a! bieten EdHandley und Andy Turner fantasievolle, verschachtelte, polyrhytmische Klangkonstruktionen, deren Unberechenbarkeit zusätzlich von gebrochenen Beats unterstrichen wird. Doch nach wie vor weigern sich Handley und Turner, sich für den Sultan von Brunei auszuziehen. Trotz eines 7-stelligen Angebots.

Rio Reiser dagegen kann sich nicht mehr weigern. Denn er starb im August 1996. Zu Lebzeiten hat sich der Ton Steine Scherben-Sänger schon mal geweigert, das ein oder andere zu tun. Wahrscheinlich hätte er sich auch gegen die Idee geweigert, dass Bänder mit seinem Gesang ‚ nach seinem Tod von Studiomusikern bearbeitet werden würden. Genau dieses absolute „No-do“ gibt’s auf „Herzverloren“ (Columbia/ Sony Music). Ein schöner Song wird von einer Mannschaft von Muckern mit einem Musikverständnis, das irgendwann Mitte der achtziger Jahre geprägt wurde und sich dann keinen Zentimeter nach vorne bewegt hat, kaputtgemacht. Das geht so nicht. Rio, weigern Sie sich!